Im Zauberkreis der Nacht

Rachel Willis-Sørensen und Jessye Norman interpretieren Strauss’ «Vier letzte Lieder»

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In dämmrigen Grüften wohnt kein Dur. Schicksalhaft verdüstert ist dort das Dasein, von Trübsal dominiert. Und so verwundert es wenig, dass Richard Strauss für den Beginn des Orchesterlieds «Frühling» die Tonarten c-Moll und as-Moll wählt.

Zwischen diesen beiden Traurigkeiten zwängt sich das Alter Ego des Komponisten in der Vertonung von Hermann Hesses Gedicht hindurch, noch bevor die Singstimme anhebt, von ihrem Traum zu berichten, der sie in diese Tiefe hinabführt und von dort den Frühling und seinen Duft herbeisehnt, so lange, bis er sich schließlich wie «ein Wunder» ereignet, in beinahe Lohengrin’schem, lichtvoll-sternenklarem A-Dur. 

Es war Kirsten Flagstad, die am 22. Mai 1950 in der Londoner Royal Albert Hall erstmals dieses Naturereignis besang, begleitet vom Philharmonia Orchestra unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler. Seither haben etliche der großen Sopranistinnen die «Vier letzten Lieder» von Richard Strauss interpretiert, dieses Lebensresümee in nostalgisch-klagenden Tönen, das sein Schöpfer drei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg in der Schweizer Rückzugszone zu Papier brachte, aber nie je als Zyklus dachte und so auch nicht konzipierte. Die Liste der Namen reicht ...

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Opernwelt Mai 2023
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 32
von Jürgen Otten

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