Herzblut und Blutherzen

Bizet: Carmen
Berlin | Deutsche Oper

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Bis heute prägt «Carmen» unsere akustische Vorstellung davon, was «typisch spanisch» ist. Und doch handelt es sich bei Bizets Partitur um ein genuin französisches Werk. Ivan Repušić erinnert daran jetzt auf wahrlich erhellende Weise an der Deutschen Oper. Mit dem hochmotivierten Orchester gelingt ihm eine stilistisch sensationell stimmige Interpretation, in der das fingiert Folkloristische nicht negiert, aber doch als Klanggewürz definiert wird.

Viel wichtiger sind die typischen Merkmale der Opéra comique, eine vokale Linienführung, die sich organisch aus dem gesprochenen Wort ergibt, dazu eine Instrumentation, die licht und klar ist. Weil hier von einfachen Menschen und ihren unverstellten Gefühlen erzählt wird. Dass Repušić zudem Wert auf Eleganz und quecksilbrige Beweglichkeit legt – das Quintett des zweiten Akts wird so zu einem Höhepunkt –, macht sein Dirigat besonders beglückend.

Leider geht das Kreativteam um Regisseur Ole Anders Tandberg genau den umgekehrten Weg. Szenisch werden die Klischees in den Mittelpunkt gerückt, um sich mit skurrilem Humor an ihnen abzuarbeiten. Der Torero im kanariengelben Glitzerdress schenkt seiner Flamencokleid-Carmen die abgeschnittenen ...

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Opernwelt März 2018
Rubrik: Panorama, Seite 35
von Frederik Hanssen

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