Heitere Trauer
Es lockt erst einmal alles in die falsche Richtung. Barrie Kosky, der Operetten-Derwisch, inszeniert einen Berlin-Abend mit Schlagern der 1920er- und 1930er-Jahre, arrangiert rund um eine Klassik-Diva. Das kleine Orchester auf der Vorbühne schraubt sich schamlos in die Romaklänge von Nico Dostals «Heut’ Abend lad ich mir die Liebe ein!». Ein letzter Taumel aus dem Jahr 1939, mit ihm stolpern auch Anne Sofie von Otter und Wolfram Koch hinein. Nur ihre Lackschuhe erinnern an den großen Auftritt.
Dieser «Ich wollt’, ich wär’ ein Huhn!» betitelte Liederabend ist das Gegenteil eines Kostümrauschs. Hier fallen ganz still die Masken.
Das geht nicht ohne Widerstände ab. Kochs biegsamer Spieldrang klammert sich zunächst noch an ein paar Requisiten, die ihn in einen Franzosen verwandeln, in der Hand eine Torte, unterm Arm eine Keule. Man spürt, wie gerne er mit beidem wild drauflos hantiert, sich selbst in eine fatale Schlacht um Knüppel und Sahne verwickelt hätte. Doch der Künstler, der sich selbst nicht als Schauspieler-Sänger sieht, muss sich in kleinere, ungleich tiefere Formen des Scheiterns begeben. «In meiner Badewanne bin ich Kapitän» stimmt er recht behaglich an, doch der Traum ...
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Opernwelt Mai 2020
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Ulrich Amling
Nach 66 Minuten fängt das Leben an. Das Leben in Freiheit, als lange schon gehegter Wille und Wunsch. Eine Tür wird zur Seite geschoben, Luft (von anderen Planeten?) strömt herein, nur eine Jalousie versperrt noch den Weg ins Licht. Doch just in diesem Augenblick endet alles: die Musik, die Worte und Stimmen, der Gesang, die Bewegung. Und plötzlich wirkt die Große...
Kurioser als die Gesangskarriere der amerikanischen Sopranistin Eileen Farrell (1920-2002) ist im 20. Jahrhundert wohl keine verlaufen. Begonnen hat sie mit einer eigenen Radioshow im CBS-Rundfunk, geendet ist sie als Blues-Sängerin mit populären Alben. Dazwischen liegen Triumphe als Konzertsängerin und weniger erfolgreiche Opernauftritte an der New Yorker Met....
Die Lieder Ludwig van Beethovens, immerhin knapp 90, haben in seinem Œuvre nicht den gleichen Stellenwert wie die Symphonien, die Sonaten oder die Streichquartette. Viele von ihnen sind Juvenilia, nur wenige zentral für seine Musiksprache. Nach Dietrich Fischer-Dieskau, Hermann Prey, Nicolai Gedda und Peter Schreier haben sich nur wenige Sänger für sie eingesetzt...