Heilsbringer, selbst ernannt
Er sei nicht interessiert daran, Märchen zu erzählen, hatte Carlos Wagner vorab gesagt. Und schon beim Auftritt des blütenweißen Strahleritters Lohengrin – im Gegenlicht, gezogen von einem in Ketten gelegten Gottfried – zeigt sich, was er mit «Märchen» meint: Verblendung, die nicht als solche erkannt wird. Carlos Wagner versucht der Geschichte vom Heilsbringer am Landestheater Coburg mit Skepsis zu begegnen, mit aufgeklärtem Blick. Er lässt alles, wie es ist. Er glaubt nur nicht daran. Sein Lohengrin ist kein Held, sondern ein selbst ernannter Messias.
Ein Messias, der sich in dieser Pose sehr gut gefällt.
Der Regisseur knotet das Bedeutungsgeflecht der Oper komplett auseinander und bindet es neu zusammen, und, das ist das einzige Wunder in dieser Produktion: Es trägt auch so. Nur Elsa durchschaut das Spiel, und als sie – nach einer Beinahe-Vergewaltigung im Brautgemach – dann doch wissen will, was hinter der Breitbrüstigkeit ihres Gatten steckt, fällt der in sich zusammen. Als er schließlich zur Legitimation seiner Machtergreifung nicht mehr vorzuweisen hat als ein paar Verse, wendet sich auch das Volk gegen ihn. Die geheime Wunderkraft des Grals endet in Coburg nicht in dem ...
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Opernwelt April 2014
Rubrik: Panorama, Seite 31
von Florian Zinnecker
Franz Mazura – der Sänger-Schauspieler» – so lautet der Titel einer Festschrift, die zu seinem 80. Geburtstag erschien. Das trifft den Sachverhalt in doppeltem Sinne. Denn Mazura, 1924 in Salzburg geboren, war während der letzten sechs Jahrzehnte nicht nur einer der wichtigsten singenden Darsteller auf der Opernbühne, er war – und das kommt nur selten vor – Sänger...
Christof Loys ausgefeilt-stimmige Züricher Inszenierung von Bellinis romantischem Melodramma «La straniera» (siehe OW 8/2013), von der man hoffen möchte, dass sie dem zu Unrecht vernachlässigten Stück einen ähnlichen Innovationsschub gibt wie Jossi Wielers und Sergio Morabitos wegweisende Stuttgarter «Norma» 2002, hat – mit gänzlich neuer Besetzung – das Essener...
Es war der Abend des Orchesters. Kaum je hat man die Philharmoniker der Hansestadt in einer derart bestechenden Verfassung gehört. Diese fein abschattierten dynamischen Nuancen, diese lebendige Artikulation, diese plastisch ausgeformten Spannungsbögen, diese in jedem Moment überzeugenden Tempi von einem oft atemraubenden, dabei mit äußerster Präzision ausgeführten...