Großartiges Leben im Falschen
Ruggero Leoncavallos «Pagliacci» – hierzulande besser bekannt als «Der Bajazzo» – ist im Grunde ein Stück Meta-Verismo, nein: fast schon zitatreiche Postmoderne (nur mit Authentizitätsfeeling). Da sich der Verismo um 1900 per se anschickte, glaubhaftere Stoffe von der Straße zu erzählen, darf der unförmige Tonio im «Pagliacci»-Prolog sogleich herrlich pathetisch den Unterschied von Schauspiel und Realität Arien-Ersatz besingen.
Nie wurde eine so schöne Publikumsbegrüßung komponiert, die gleichzeitig Serviervorschlag, Operneinführung und theatertypische Aussicht auf das Kommende ist. Die Eifersuchtsgeschichte um Nedda, ihren pathologisch eifersüchtigen Mann Canio und dessen Nebenbuhler Tonio und Silvio setzt sich im zweiten Teil des Verismo-Schlagers im Rahmen eines Commedia-dell’arte-Schauspiels fatal fort. Die Eifersucht aus dem «realen» Leben der Oper (die für uns als Zuschauende gespielte Eifersucht ist) wird im Rahmen eines Schauspiels innerhalb der Oper zur «echten» Eifersucht mit (freilich operntypischer) Todesfolge, was wiederum uns natürlich nur als «echt» präsentiert wird. Kurz bevor der Vorhang fällt, singt Tonio dementsprechend: «La commedia è finita!», und zwischendurch ...
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Opernwelt Dezember 2021
Rubrik: Im Focus, Seite 4
von Arno Lücker
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62. Jahrgang, Nr 12
Opernwelt wird herausgegeben von Der Theaterverlag – Friedrich Berlin
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