Goldener Mittelweg
Als sich zur Ouvertüre der Vorhang im Auditorium de Dijon hebt, glimmt Hoffnung auf: neues Konzept! Eine Rückblende deutet darauf hin, dass Sarastro eigentlich Paminas Vater ist und Papageno deren früh verlassener Bruder. Die Handlung spielt nach einer Umweltkatastrophe: Die Welt ist zur Wüste geworden, sämtliche Relikte der kapitalistischen Wirklichkeit liegen hier begraben. Verheißungsvoller Auftakt. Was jedoch folgt, ist eine anekdotische, konventionelle Regie in moderner Dekoration.
Musikalisch erweist sich der Abend als beachtlicher Gewinn.
Dass Christophe Rousset die «Zauberflöte» zum ersten Mal dirigiert, ist nicht zu spüren, so schlüssig, stringent gerät die Wiedergabe. Am Pult seines Ensembles Les Talens Lyriques setzt Rousset nicht dogmatisch auf «authentische» Aufführungspraxis, sondern verleiht der Musik natürlichen Fluss. Sein Mozart klingt federnd, unverkrampft, nie leichtfertig oder oberflächlich. Die Dramaturgie der Tempi hält beständig die richtige Balance zwischen pulsierendem Drive und kontemplativer Tiefe. Daraus ergibt sich eine höchst lebendige Interpretation, die weder ins Barock zurückblickt noch die Romantik vorwegnimmt: ein goldener Mittelweg, der bisher ...
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Opernwelt Mai 2017
Rubrik: Panorama, Seite 40
von Christian Merlin
Es ist ein geradezu diabolischer Psycho-Striptease, den Philippe Boesmans in seiner auf Witold Gombrowicz zurückgehenden Oper abhandelt: Das Unangepasste wird ausgelöscht. Diese Yvonne, die durch ihr Anderssein, durch ihre Hässlichkeit, ihre Passivität und ihr ständiges Vor-Sich-Hinschweigen das eingespielte Leben am Königshof von Burgund durcheinanderbringt, wird...
Ein heikles Stück. Der Regie verlangt es alles ab. Vier schwierige Protagonisten hat Brittens 1973 vollendete, letzte Oper «Death in Venice», von denen die Hauptperson, der Schriftsteller Gustav von Aschenbach, überwiegend zum Klavier monologisiert, während Nummer zwei gleich sieben verschiedene Figuren darstellt, die dritte als Stimme des Apollo eine Maske ist und...
Nicht nur in der Oper, sondern auch im Konzertsaal fällt es selbst im Südwesten Deutschlands schwer, die durch den alt gewordenen Vater Rhein markierte, heute freilich mehr imaginäre als reale Grenze zu überbrücken. So ist man immer wieder verblüfft, wie vergleichsweise wenige Musiker – aber auch Stimmen – des so nahen, letztlich aber bis ins ferne Kanada...