Glaube, Liebe, Hoffnung
Aus Furcht vor der Welt da draußen ins Kloster fliehen zu wollen, ist nicht zwingend ein ratsamer Entschluss. Entweder wird man in solchem Fall nicht aufgenommen oder von seinen Ängsten eingeholt. Warum also Madame de Croissy, die Priorin des Karmelitinnen-Konvents von Compiègne bei Paris, die weltflüchtige Blanche de la Force dennoch ins Kloster eintreten lässt, kann leicht als dramaturgischer Schwachpunkt von Francis Poulencs Oper gelten.
Regisseurin Marie Lambert-Le Bihan freilich motiviert die Entscheidung der Klostervorsteherin schlüssig mit deren eigener, doch zunächst unter dem Ordenshabit verborgenen Furcht vor dem Sterben. Denn selbst die frommste Übung feit nicht unbedingt vor den Seelenqualen in Todesnot. Das nahende Ende reduziert den Geist und Leib der Priorin auf ein verzweifeltes Gemüt in einem gedunsenen Körper mit blutig-offenen Beinen. Umso trotziger besteht die junge Nonne auf dem Kloster als Zufluchtsort. Ihre Selbstgerechtigkeit decouvriert sich, indem sie die vitale, dennoch von düsteren Zukunftsvisionen heimgesuchte Mitschwester Constance für deren Freude am Leben abkanzelt. Kaum aber hat die Revolution die Nonnen in Gefahr gebracht, entläuft sie dem Ort wie ...
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Opernwelt August 2023
Rubrik: Panorama, Seite 48
von Michael Kaminski
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