Geschlossene Gesellschaft

Nicht erst seit dem bösen Bonmot von Karl Kraus vom «blühenden Operettenblödsinn» sieht sich die alte Dame in Bedrängnis. Als Kunstform wirkt sie inzwischen antiquiert, musikalisch wird sie nicht selten belächelt. Zu Unrecht. Ein Plädoyer in schwierigen Zeiten

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Ich war zehn. Ich dürfe, sagte mein Vater, meine Mutter abends in die Operette begleiten: Abonnement-Gastspiel des Städtebundtheaters aus Hof mit dem «Vogelhändler» von Carl Zeller. Ich kannte die Musik, weil im elterlichen Hause viel Operette gehört wurde und, ja, ich mochte sie. Kurzum, ich freute mich auf meinen ersten abendlichen Theaterbesuch. Es sollte der Beginn einer wunderbaren Beziehung werden – zu einer sich mitunter recht mondän, mitunter recht albern, manchmal auch ein bisschen peinlich gebärdenden Dame.

Über die man damals, Ende der 1960er-Jahre, einmal mehr befand, sie sei schon längst tot. Gäbe es eine Steigerungsform von tot, so müsste man heute, ein halbes Jahrhundert danach, konstatieren: Sie ist noch toter als tot. Klingt nach dem Refrain eines – noch zu schreibenden – Operettenchansons. Und so gar nicht nach einer Renaissance der Gattung, auch wenn von dieser, mitunter, die Rede ist. Wie auch derzeit wieder. Versuch einer Abwägung

Niedergangsszenarien

Zunächst: Dass jemand mit Operettenmusik aufwächst und sich auch noch an ihr delektieren kann, war auch vor 50 Jahren bereits die Ausnahme. Auf der intellektuellen Seite hatten kulturwissenschaftliche Vordenker ...

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Opernwelt Juli 2021
Rubrik: Focus Spezial, Seite 24
von Alexander Dick

Weitere Beiträge
Impressum Juli 2021

62. Jahrgang, Nr 7
Opernwelt wird herausgegeben von Der Theaterverlag – Friedrich Berlin

ISSN     0030-3690
Best.-Nr.     752346

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Was kommt... Juli 2021

Forschersinn
Seine Liebe gilt der Alten Musik,  ihrer (womöglich) wahren Gestalt. Seit dem Tag im Jahr 1974, als Jordi Savall mit Freunden das Ensemble Hespèrion XX gründete (das inzwischen Hespèrion XXI heißt), sucht der katalanische Musikwissenschafter und Gambist nach den Urklängen, nach dem Historisch-Authentischen. Am 1. August feiert er seinen 80. Geburtstag....

Kabinettstückchen

Man spielt die alten Rollen weiter, gibt die Lügen von einst als Wahrheit aus, lässt die Leichen im Keller schmoren. Das wird schon gut gehen, so lange niemand, der dort nicht ohnehin seit Jahren sein Unwesen als Untoter treibt, dieses Horrorhaus betritt und nachfragt. Doch der parsifaleske reine Tor, Student Arkenholz (Yoonki Baek singt die extrem hohe Tenorpartie...