Fliehkräfte
Das lange Sterben Violettas beginnt bereits bei geschlossenem Vorhang, mit den ersten Tönen des Preludio, Vorecho jenes zerbrechlichen Klanggespinstes in den hohen Violinen, das auch den letzten Akt von «La traviata» eröffnet und prägt. Es liegt nahe, Verdis Vorgriff auf das Ende der Oper auch szenisch zu realisieren. Genau das macht Rolando Villazón in seiner Inszenierung für das Baden-Badener Festspielhaus. Die Aufführung beginnt in vollkommener Finsternis. Ein Lichtstrahl lenkt den Blick auf die am Boden liegende Violetta.
Sie bringt eine Spieluhr zum Klingen, die Erinnerungen wachruft. Erst dann setzt Verdis Musik ein. Die Geschichte von Violettas Lieben, Leiden und Sterben wird als eine Art Delirium erzählt, in dem Realität und Fantasie im Sinne einer Traumlogik verfließen.
In den Massenszenen des ersten und dritten Bildes bevölkert eine grotesk kostümierte, womöglich einem Fellini-Film entsprungene Gesellschaft die von Johannes Leiacker als Mischung aus Zirkus, Varieté und übergroßer Spieluhr gestaltete Bühne. Das bis in die kleinste Rolle exzellent besetzte Ensemble der Nebenfiguren und der exzeptionell singende wie agierende Balthasar-Neumann-Chor schaffen eine geradezu ...
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Opernwelt Juli 2015
Rubrik: Panorama, Seite 32
von Thomas Seedorf
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Das Wesentliche lässt sich nicht immer in Worte meißeln, Auslassungen sind auch in der Kunst nicht das Schlechteste. Drei rosa Punkte leuchten an der Fassade des Luzerner Theaters, das mit diesem Signet seinen 175. Geburtstag markiert. Die Pfiffigkeit, mit der gefeiert wird, ist bezeichnend dafür, wie der Intendant Dominique Mentha das Haus auf Vordermann gebracht...
