«Es muss alles von innen kommen»

Eine Überfliegerin ist sie nicht. Nina Stemme, die jetzt zum zweiten Mal nach 2005 zur «Sängerin des Jahres» gewählt wurde, geht ihre Aufgaben langsam und skrupulös an. Abwarten, analysieren, abwägen – das tut sie auch im reißenden Strudel einer Weltkarriere. Dann aber steht sie fest zu ihren Entscheidungen. So ist sie auf dem Olymp der Hochdramatischen angekommen – und weiß doch, dass sie Wagners Brünnhilde nicht mehr allzu oft singen wird. Einfach, weil sie die Partie nicht als Endstation sieht und neben ihr und nach ihr noch viele andere Rollen singen will. Gerade hat sie zum Beispiel Puccinis Minnie für sich entdeckt.

Allzu viele Brünnhilden werden wohl nicht mehr kommen.» Das sagt sie so einfach, ganz trocken, begleitet von einem herben Lachen.

Vor einem Jahr hat sie erstmals in San Francisco Wagners Marathonstrecke absolviert. Dann wurde sie in diesem Festspielsommer als Lichtgestalt der Münchner «Götterdämmerung» gefeiert – und nun schon das Ende? Aber es ist ja nicht Frust, der aus Nina Stemme spricht, sondern etwas anderes. Realismus, auch kühles Kalkulieren könnte man es nennen. «Die nächsten fünf Jahre sind fast voll ausgebucht, jetzt ist eben meine Zeit für die Brünnhilde.

Jetzt genieße ich den Marathon. Aber danach, wer weiß?»

Vorerst ist die Schwedin, zum zweiten Mal nach 2005 zur Sängerin des Jahres gekürt, aber auf dem Olymp der Hochdramatischen angekommen. Dort, wo andere Skandinavierinnen wie Birgit Nilsson, Kirsten Flagstad oder Ingrid Bjoner Maßstäbe setzten – und wo Nina Stemme nun ihren ganz eigenen Weg, ihren ganz eigenen Klang gefunden hat. Vor allem die letzte halbe Stunde wird vom Münchner «Ring» bleiben. Wie Nina Stemme ganz allmählich aus dem Hintergrund nach vorne kommt. Wie sie das Ende nicht mit gebieterischer Gebärde herbeisingt, sondern mit einer eigentümlich ...

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Opernwelt Jahrbuch 2012
Rubrik: Sängerin des Jahres, Seite 4
von Markus Thiel

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