Entfremdet
Gisela Werbezirk gewährte einst einen tiefen Blick in die Seele einer Vertriebenen: Ihr war es vergönnt gewesen, den Nazis zu entkommen und in den USA als Schauspielerin erneut Fuß zu fassen. Dort lebe sie nun und sei – ein sprachlich feiner, emotional jedoch himmelweiter Unterschied – «happy, aber nicht glücklich …» Von Werbezirk ist es nicht weit zum (rein fiktiven, in seiner Emigrantenrolle aber paradigmatischen) Mendel Singer. Im Finale des ersten Akts, inmitten von Tuten und Kreischen, Drängeln und Hetzen, wird ihm plötzlich schwarz vor Augen.
Er, der im Schtetl nur Armut und Wehsal gekannt hat, aber auch die edle, erhebende Bürde von Glauben, Überlieferung und Familie, ist von New York schlicht überfordert. In einem großen Ensemble mit Chor gehen Mendels Ängste unter – oder gehen sie vielmehr auf? In einer Gemeinschaft, deren Gesang von einem engelartig schwebenden Dirigenten geleitet wird?
Diese Erscheinung ist ein früher Hinweis auf das märchenhafte Ende von Joseph Roths 1930 erschienenem Roman «Hiob», in dem das Schicksal des biblischen, von Gott exemplarisch schwergeprüften Mannes anhand eines braven Tora-Lehrers aus dem westukrainischen Landstrich Wolhynien neu erzählt ...
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Opernwelt April 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 22
von Walter Weidringer
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