Ein Kind ihrer Zeit
Wie wohl ihr Social-Media-Account heißen würde? «@LaDivina» oder «@Mariacallas»? Oder einfach nur «@Maria»? Und wer würde ihn betreuen? Das Management, die Plattenfirma, sie selbst? Womöglich gäbe es die neuesten Roben zu sehen, Schnappschüsse von den Proben, gestellte Aufführungsfotos oder Privates mit dem aktuellen Lebensabschnittsgefährten, manchmal auch kleine Videos. Doch stopp: Spätestens in diesem Augenblick dürfte nicht nur der Hardcore-Fan abwinken. Denn letztlich wäre das alles unvorstellbar, vielleicht auch unwürdig aus Sicht der Callas, überflüssig, stillos.
Eine Klaviatur der Öffentlichkeitswirksamkeit, auf der sie es nicht nötig gehabt hätte zu spielen. Oder etwa doch?
Ein Gedankenexperiment jedenfalls, vor dem insbesondere Historiker Abscheu empfinden. «Was wäre, wenn?» – es ist die verbotene Frage. Kein Mensch kann sie auch nur halbwegs und mit überprüfbarer Substanz beantworten. Das Experiment zielt aber weniger auf einen objektiven Beweis. Es geht vielmehr um den Kontrast, um den Vergleich. Um die Vergegenwärtigung einer Karriere, die tatsächlich, wenigstens dies sollte als gesichert gelten, wie keine zweite war. Eine solche Laufbahn, genau darum geht es, war und ...
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Opernwelt Jahrbuch 2023
Rubrik: La divina, Seite 89
von Markus Thiel
Auf die Frage nach dem größten und bedeutendsten Tenor lautet die Antwort auch heute noch fast einhellig: Enrico Caruso. Tenöre der jüngeren Vergangenheit, denen dieser Ehrentitel angetragen wurde, verweisen, wie Luciano Pavarotti, auf Caruso als ihren Urahn: «Ganz gleich, welches Jahr man gerade schreibt», urteilte Pavarotti, «Caruso wird immer ein ‹moderner›...
61 Jahre können eine halbe Ewigkeit sein, mitunter reichen sie für ein ganzes Leben oder sogar für zwei, das Schicksal, der Zufall oder der (liebe?) Gott haben manchmal merkwürdige Pläne mit uns Menschenkindern. Diese Unwägbarkeit muss man sich kurz einmal vor Augen führen, wenn man auf jemanden stößt, der 61 Jahre lang mit größtmöglicher Hingabe derselben...
Wir kennen diese Frau, ihr Leiden, ihre Einsamkeit. Und doch erstaunt die Drastik, mit der Barrie Kosky Katja Kabanowa in seiner Salzburger Festspiele-Inszenierung in den Vordergrund rückt und wie getrieben die Titelfigur in Janáčeks Oper ist. «Fast obsessiv rauft sich Corinne Winters (die uns, wie schon in der Genfer «Jenůfa», erneut mit ihrem enormen...
