Editorial
Als Theodor W. Adorno 1967 bei einem Kongress in Graz öffentlich über Musikkritik nachdachte, hatte er leicht reden. Die Jahre, in denen er regelmäßig Musikkritiken geschrieben hatte, lagen lange zurück, und von den Bedürfnissen des Marktes hielt er sowieso nichts. Adorno sprach also Idealtypisches. Gerade deswegen hatte er mit (fast) jedem Satz Recht. Er betonte zum Beispiel, Musikkritik habe mit theoretischem Bewusstsein und praktischem Eingreifen gleichermaßen zu tun.
Er hob die paradoxe Einheit hervor, die das Genre prägen sollte: ein «fast weiches sich der Sache Hingeben» und eine «größte Bestimmtheit des Urteils». Er setzte, darin seinem Kollegen Hans-Georg Gadamer ähnlich, das, was ein Kritiker an Vorerfahrung mitbringt, sehr hoch an: «Wer als tabula rasa hören würde, würde vermutlich gar nichts hören». Er bestand aber auch auf unanfechtbarem Handwerkszeug und verachtete die Benutzung von Bildungsabfall anstelle tieferer Sachkompetenz. Nur technische Analyse, und nur sie, führe ins Übertechnische. Dass es keine Wahrheit gibt, die sich außerhalb der Zeit entfalten kann, setzte er sowieso voraus und schloss daraus, dass Kritik, statt leere Objektivität zu suggerieren, ...
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