Dramaturgischer Leerlauf
Das Stück wird selten gespielt. An Amilcare Ponchiellis süffiger Partitur mit dankbaren, herausfordernden Gesangspartien, imposanten Chor-Tableaus und dem Wunschkonzert-Hit «Tanz der Stunden» kann es nicht liegen. Eher wohl an dem haarsträubenden Plot von «La Gioconda». Im schnellen Takt reiht sich da eine reißerische Krimi-Szene an die nächste: Hexenwahn, Lynchjustiz, geifernde Eifersucht, Scheintod, Erpressung, Selbstmord – kaum etwas wird ausgelassen. Ein Albtraum für Dramaturgen. Deshalb steht die «Gioconda» in Bonn zum Beispiel derzeit nur konzertant auf dem Spielplan.
An der Monnaie-Oper hat sich nun Olivier Py auf die Oper nach einem Stoff Victor Hugos (Libretto: Arrigo Boito) eingelassen.
Wie so oft, wenn Py und sein Dauerausstatter Pierre-André Weitz tätig werden, ist alles in einem Schwarz-Grau-Weiss gehalten, der üppige Strass-Besatz der Kostüme und viel Swarovski-Schmuck bilden einen gewollten Kontrast zum brutalistisch-öden, neonbeleuchteten Bühnenraum – etwas zwischen Tunnel, Parkhaus und Bunker. Nach Bedarf werden Etagen und Balkone hereingefahren, tun sich leere weiße Gemächer auf, am Boden steht knöcheltief brackiges Wasser, das, entsprechend beleuchtet, auf die ...
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Opernwelt März 2019
Rubrik: Panorama, Seite 38
von Regine Müller
Alban Berg würde sich wundern. Und vielleicht sogar zustimmen. Denn was Detlef Heusinger aus dem fragmentarisch überlieferten Material des dritten «Lulu»-Aktes gemacht hat, ist – wie die jetzt am Bremer Theater erfolgte Uraufführung dieser Fassung zeigte – eine höchst beachtenswerte, ebenso fantasievolle wie punktgenau durchdachte Alternative zu Friedrich Cerhas...
Gletscher? War da mal was? Richtig, das waren diese majestätischen Eisgebilde, die Berglandschaften spektakulären Glanz verliehen, bevor die Menschheit begann, immer mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre zu feuern. In den 1920er-Jahren waren sie noch weitgehend intakt, ein vertrauter Anblick, so dass Ernst Křenek für seine Oper «Jonny spielt auf» einen Gletscher als...
Solche Abende gibt es. Sie heben hoch an, schütten aus extremer (Fall-)Höhe eine Unmenge an Bildern, Assoziationen und Allusionen auf die Bühne herab, sind für sich genommen virtuos in ihrer Diskursvernarrtheit – aber das eigentliche Stück, seine Psychologie, mehr noch: die musikalische Semantik vergessen sie darüber fast vollständig. Ein solcher Abend ist die...
