Der kalkulierende Zweifler

Ein Berliner Symposion über den Dirigenten Wilhelm Furtwängler

Opernwelt - Logo

Es wäre ja so leicht, den Allegro-Molto-Teil der «Don Giovanni»-Ouvertüre vorzubereiten, meinte Peter Gülke auf dem jüngs­ten Symposion im Berliner Institut für Musikforschung. Ein dezenter Auf­takt am Ende des einleitenden Andante, schlagtechnisch kein Problem. Genau das machte Furtwängler aber nicht. Er riskierte mit dem Allegro einen Neuanfang, beließ damit dem Andante Würde, Schwere und Autonomie. Überhaupt hob Gülke in seinem Vortrag die Risiko­freudigkeit von Furtwänglers Schlag hervor: etwa die Art, rhythmisches Innen­leben der Musik zu verlebendigen.

Dergleichen könne nur entstehen, wenn die Dirgiertechnik dem Orchester Raum ge­be, statt zu diktieren. Es sei schwer probierbar, gehöre zur «Intimsphäre der Musik». Genau auf die setzte Furtwängler, jenseits aller schlagtechnischen Perfektion. Bezeichnend, dass er noch nach zwanzigjähriger Dirigierpraxis auf die Frage nach der Funktion der linken Hand ins Grübeln kam: Er hatte sich einfach nie Gedanken darüber gemacht.  
Das Berliner Symposion widmete sich weder dem Homo politicus, noch dem Komponisten, sondern ausschließlich dem Dirigenten Furtwängler. Und das mit gutem Grund. Denn Interpretationsforschung ist ein neues Feld ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Februar 2005
Rubrik: Magazin, Seite 25
von Stephan Mösch

Vergriffen
Weitere Beiträge
Herunter vom Podest

Frau Schäfer, szenische Annäherungen an Schuberts «Winterreise» haben derzeit Hochkonjunktur. Sie haben die vierundzwanzig «schaurigen Lieder» in einem Duisburger Indust­riebau gesungen. Worin besteht für Sie der dramatische Impetus dieses Zyklus?
Ich finde, dass die «Winterreise» gar nicht so schaurig und tragisch ist, wie immer behauptet wird. Natürlich ist der...

Don Quijote auf Speed

An der Wiederentdeckung des Opernkomponisten Antonio Vivaldi hat «Orlando Furioso» gewichtigen Anteil: Die weltweit ausgestrahlte szenische Produktion dieser Oper anlässlich des Vivaldi-Jahres 1978 mit Marilyn Horne in der Titelrolle machte ein breites Publikum erstmalig darauf aufmerksam, dass Händel nicht der einzige Barockkomponist gewesen ist, der Opern...

Stradivari in der Kehle

Ein Komet am Opernhimmel – und eine Laufbahn, die zu den kürzesten in der Chronik des Musiktheaters zählt. Diese Laufbahn begann sensationell mit dem allseits um­jubelten Debüt als Aida der 20-jährigen Elevin am Studio des römischen Opernhauses. Das war im September 1951. Ziemlich exakt neun Jahre später bestritt dann die weltweit gefeierte Diva ihren letzten...