Der Höhenforscher

Belcanto ist nicht seine einzige Spezialität. John Osborn kann mehr. Ein Porträt

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Es ist großartig, John Osborn in einer Verdi-Rolle zu erleben, gerade weil das nicht seine Kernkompetenz ist. Den Alfredo in «La traviata» singt der US-Amerikaner darum so leicht und lyrisch, wie diese Rolle fast nie zu hören ist, es klingt eher französisch als italienisch; kein Schmettern nirgends. Seine Stimme wirkt aber auch nicht anämisch, sondern kernig, dazu mit ordentlicher, solider, sogar robuster Tiefe.

Eine makellose Höhe hat er ohnehin.

Das ist sein Beruf, wie er selbst sagt, aus diesem Grund kommen die Leute in die Vorstellung, mit seiner gepflegten Bruststimmenhöhe verdient er seit mehr als 30 Jahren sein Geld. Wenn John Osborn einen Spitzenton dehnt, dann fällt ihm das so unverschämt leicht, dass es nicht auftrumpfend, sondern beinahe schon lapidar wirkt. Wenn er, wie sollte es anders sein, über kurz oder lang wieder die mit hohen C’s gespickte Arie aus Donizettis «La fille du Régiment» singt (und nicht darauf verzichtet zu dokumentieren, dass das hohe C keineswegs der höchste Ton ist, den er singen kann), so sind die bizarren Gipfelpunkte der Bravour-Arie «Ah! Mes amis» bei ihm kein hörbarer Kraftakt. Man kann sich den Spaß, nein, die Freude machen, auf YouTube zum ...

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Opernwelt Jahrbuch 2024
Rubrik: Sänger des Jahres, Seite 24
von Judith von Sternburg

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