Der feine Unterschied

Seine Opern sind nichts für zarte Gemüter. Man ist gezwungen, mit dem französischen Komponisten Pascal Dusapin in die Tiefen der menschlichen Seele zu steigen, sei es in «Medeamaterial», «Penthesilea», «Passion», «Macbeth Underworld» oder zuletzt in «Il Viaggio, Dante». Ein Gespräch über autobiografisches Komponieren, das Eigene und das Fremde, Freiheit und Komponisten-Kontinente

Opernwelt - Logo

Herr Dusapin, von Nikolai Rimski-Korsakow ist die schöne Sentenz überliefert, Kunst sei «im Grunde die bezauberndste und hinreißendste Lüge». D’accord?
Die Kunst eine Lüge? Eine interessante Ansicht. Für mich ist Kunst, insbesondere Musik, die überwiegende Zeit dazu da, etwas zu verbergen.

Aber was?
Sich selbst, in meinem Fall also den Komponisten.

Wobei es für mich persönlich als passioniertem Leser eigentlich der naheliegendste Weg wäre, mein ganzes Leben – meine Traurigkeit, meine Melancholie, meine Kindheitserinnerungen, meine Liebe zu Frauen – durch Literatur zu erklären. Doch mit meiner Musik kann ich dasselbe erzählen, und niemand wird genau verstehen, was genau ich damit erzähle: ein enormer Vorteil. Auf einem Blatt Papier können Sie mit Noten unzählige persönliche Dinge, Affekte, Emotionen, Gefühle notieren, ohne dass sie gleich decodiert würden. 

Aber steckt dahinter nicht die Idee, Ihre Persönlichkeit durch Ihre Musik womöglich zu «entlarven»?
Nein. Denn natürlich ist meine Musik einerseits Ausdruck meiner Persönlichkeit. Und doch verbergen sich darin viele Geheimnisse. Mein musikalischer «Vater» Iannis Xenakis erklärte alles mit Hilfe von hochgradig komplexen ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Mai 2023
Rubrik: Interview, Seite 63
von Jürgen Otten

Weitere Beiträge
Auf den Spuren der Callas

Sie ist die amtierende Carmen in Herbert Fritschs knallbunter Inszenierung an der Hamburger Staatsoper: Die russische Mezzosopranistin Maria Kataeva absolviert Fritschs gnadenlose Überzeichnungen und ironische Klischeespielereien ebenso souverän wie das unvermeidliche Kastagnettengeklapper zu kreisenden Hüften. Kataeva gastiert auch an der Münchener Staatsoper und...

Vorschau/Impressum 5/23

VORSCHAU
Intensität
Seine Anfänge liegen im Männergesangsverein Neu-Listernohl (Westfalen). Seit Jahren aber sind die großen Bühnen der Musiktheaterwelt sein Zuhause. Dort reüssierte Georg Zeppenfeld zunächst mit Mozart und Verdi, bevor er zu einem der wichtigsten Wagner-Bässe unserer Zeit wurde. Ein Interview

Innovation
Sie ist eine Grenzgängerin, eine...

Aus dem Leben eines Zaren

Seit 2019 findet im Konzertsaal «Sarjadje» direkt neben dem Kreml das «Gergiev-Festival» statt, mit konzertanten Opernaufführungen und Symphoniekonzerten durch Orchester, Chor und Solisten des Mariinsky-Theaters. Das Publikum schätzt das Repertoire und die ausgezeichnete Qualität der Darbietungen. Das Ganze hat nur einen Haken: Das Programm wird frühestens eine...