Bunte Endzeit

Stefan Herheim inszeniert den «Rosenkavalier» in Stuttgart als überquellendes, anspielungsreiches Traumtheater

Opernwelt - Logo

«Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein», singt Sophie am Schluss ätherisch weltentrückt, als könne sie selbst noch nicht ganz fassen, was mit ihr geschehen ist. Für Stefan Herheim ist die halb imaginäre, halb reale Welt, die Hofmannsthal und Strauss in ihrer «Komödie für Musik» zu einem kunstvollen Ganzen ineinandergefügt haben, Traumtheater – ein modernes Endzeitstück im Rokoko-Gewand, das er mit überbordender, Bild an Bild und Bedeutung an Bedeutung knüpfender Fülle auf die Bühne des Stuttgarter Opernhauses setzt.

Mit einem glänzenden Einfall schieben Herheim und seine Bühnenbildnerin Rebecca Ringst Ende und Anfang ineinander. Wenn der Vorhang hochgeht, bleibt das Orchester zunächst stumm. Wir sehen, wie die Marschallin unterm Glassturz einer riesigen Schneekugel traumverloren dem Liebesglück nachsinnt – bis sie den Spiegel, vor dem sie sitzt, zerschlägt. Die Splitter werden uns bis ans Ende begleiten. Gleichzeitig lösen sich aus dem gemalten Rundhorizont (einer Collage, die Hans Makarts «Triumph der Ariadne» mit François Bouchers «Raub der Europa» toppt) lüsterne Satyrn, die das erotische Pandämonium der Handlung immer wieder antreiben.

Beide Bilder verankern die Imagination im ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Dezember 2009
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Uwe Schweikert

Vergriffen
Weitere Beiträge
Bärendienst

In letzter Zeit findet Händels 1713 uraufgeführter «Teseo» verstärkt Interesse an deutschen Bühnen: Nachdem eine (auf DVD erhältliche) Tourneeproduktion in der Regie von Axel Köhler und vor allem die Aufführung an der Komischen Oper Berlin (2008) das dramatische Potenzial von Händels Version des Medea-Stoffes ausgelotet hatten, wagte sich im Mai dieses Jahres die...

In der Luft

Als 1993 Peter Sellars in Amsterdam «Pelléas et Mélisande» auf die Bühne brachte, war das ein Meilenstein der Aufführungsgeschichte: Der ganze symbolistische Zauber weggeblasen, keine Brünnlein, keine Krönlein, kein blondes Rapunzel-Haar, statt märchenhaftem Mittelalter eine moderne Strandvilla im kalifornischen Stil. Zu sehen war der quälend sich hinziehende...

«Bellißima»

Majos «Alessandro» wurde 1766 in Mannheim uraufgeführt und dort im Mai 2008 erstmals wieder gespielt (siehe OW 7/2008). Jetzt sind die überlieferten Musiknummern – die Rezitative sind verloren – in einer Studioproduktion mit Ensemble und Orchester des Mannheimer Nationaltheaters unter der zupackenden Leitung von Tito Ceccherini zu hören. Wie viele Seria-Opern des...