Blutende Herzen, brennende Kerzen
Friedrich Nietzsche hat den stilistischen Sonderstatus von Georges Bizets «Carmen» wohl als Erster metaphorisch auf den Punkt gebracht: «Diese Musik ist heiter», schrieb er 1888, dreizehn Jahre nach der skandalumwitterten Uraufführung an der Pariser Opéra Comique, «aber nicht von einer französischen oder deutschen Heiterkeit. Ihre Heiterkeit ist afrikanisch; sie hat das Verhängnis über sich, ihr Glück ist kurz, plötzlich, ohne Pardon.
» Man muss sich nicht unbedingt ins Bewusstsein rufen, dass Nietzsche Bizets Opus hier natürlich gegen den ehemaligen geistigen Wahlverwandten Wagner in Stellung bringt, um sein feines Gespür für die neue Qualität eines Werks zu bemerken, das sich weder nach dem Pomp der Grand Opéra streckt noch die Nonchalance der Operette imitiert, das weder Tragödie noch Komödie ist, vielmehr irgendwo in einer schwer fassbaren, schillernden Zwischenzone liegt. In einer Welt, die keine Erlösung, sondern allenfalls die Macht des Schicksals kennt.
Nicht gerade die lauschigsten Voraussetzungen also für die Verabreichung von Wunschkonzertseligkeiten bzw. Zigeunerinnen-Folklore, Corrida-Flair und Ganoven-Romantik, sollte man meinen. Geht es doch um ein Stück, dessen ...
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Opernwelt Februar 2005
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Albrecht Thiemann und Boris Kehrmann
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