Blutende Herzen, brennende Kerzen
Friedrich Nietzsche hat den stilistischen Sonderstatus von Georges Bizets «Carmen» wohl als Erster metaphorisch auf den Punkt gebracht: «Diese Musik ist heiter», schrieb er 1888, dreizehn Jahre nach der skandalumwitterten Uraufführung an der Pariser Opéra Comique, «aber nicht von einer französischen oder deutschen Heiterkeit. Ihre Heiterkeit ist afrikanisch; sie hat das Verhängnis über sich, ihr Glück ist kurz, plötzlich, ohne Pardon.
» Man muss sich nicht unbedingt ins Bewusstsein rufen, dass Nietzsche Bizets Opus hier natürlich gegen den ehemaligen geistigen Wahlverwandten Wagner in Stellung bringt, um sein feines Gespür für die neue Qualität eines Werks zu bemerken, das sich weder nach dem Pomp der Grand Opéra streckt noch die Nonchalance der Operette imitiert, das weder Tragödie noch Komödie ist, vielmehr irgendwo in einer schwer fassbaren, schillernden Zwischenzone liegt. In einer Welt, die keine Erlösung, sondern allenfalls die Macht des Schicksals kennt.
Nicht gerade die lauschigsten Voraussetzungen also für die Verabreichung von Wunschkonzertseligkeiten bzw. Zigeunerinnen-Folklore, Corrida-Flair und Ganoven-Romantik, sollte man meinen. Geht es doch um ein Stück, dessen ...
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Opernwelt Februar 2005
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Albrecht Thiemann und Boris Kehrmann
Frau Schäfer, szenische Annäherungen an Schuberts «Winterreise» haben derzeit Hochkonjunktur. Sie haben die vierundzwanzig «schaurigen Lieder» in einem Duisburger Industriebau gesungen. Worin besteht für Sie der dramatische Impetus dieses Zyklus?
Ich finde, dass die «Winterreise» gar nicht so schaurig und tragisch ist, wie immer behauptet wird. Natürlich ist der...
Wer die Repertoireoper à la Wien oder München schätzt und das Stagione-Prinzip verabscheut, braucht sich nicht länger aufzuregen: Wenn er an einem Stagione-Opernhaus eine Vorstellungsserie versäumt, kann er in der Regel die begehrte Aufführung alsbald an einem anderen Operntheater nachsitzen. Geldknappheit und Ressourcenschwund zwingen die europäischen...
Die Ouvertüre ist bekannt – unter anderem lieferte sie den (wie man das heute nennt) «Trailer», das Titelthema für die einstmals populäre Fernsehserie «Erkennen Sie die Melodie?» Aber damit hat sich’s auch schon mit dem allgemeinen Wissen über Rezniceks «Donna Diana». Denn dass sich hinter dem Titel eine früher ungemein erfolgreiche Oper verbirgt, das kann man...