Blinde Winkel
Es ist das alte Lied. Als die Salzburger Festspiele im August 2000 Kaija Saariahos erste Oper auf die Bühne brachten, kochte eine kapitale Kontroverse hoch. Als esoterischen Klangkitsch kanzelten nicht wenige Beobachter «L’Amour de loin» ab, als kunstgewerbliches Machwerk über den Topos der verbotenen Liebe in mittelalterlicher Troubadour-Lyrik, das wie eine spektral verbrämte, sich selbst genügende Messe für zivilisationsmüde New-Age-Eskapisten daherkomme.
Akustische Wellness, weltflüchtig, prätentiös, marktgängig – so lauteten auch die Einwände nach der Amsterdamer Uraufführung der nunmehr fünften Arbeit, die die in Paris lebende finnische Komponistin für das Musiktheater geschrieben hat: «Only the Sound Remains», zwei kurze Stücke für Countertenor, Bassbariton, Tänzerin, vier Choristen, sieben Musiker und Live-Elektronik.
Während «L’Amour de loin» um das gegen höfische Normen aufbegehrende Traumbild einer unerreichbaren Geliebten kreist, entzündete sich Saariahos filigrane Fantasie diesmal an Stoffen aus dem japanischen Nô-Kanon. «Tsunemasa» behandelt die Begegnung eines Zen-Meisters (Gyôkei) mit dem Geist des hoch geschätzten Lautenspielers Tsunemasa, der in einer Schlacht ...
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Opernwelt Mai 2016
Rubrik: Im Focus, Seite 22
von Albrecht Thiemann
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Als Händel im Winter 1741 nach Dublin reiste, hatte er neben dem soeben vollendeten «Messias» auch die Partitur seiner vorletzten, 1740 durchgefallenen Oper «Imeneo» im Gepäck. Dass das auf einem älteren Libretto von Silvio Stampiglia beruhende Stück angesichts des gewandelten Geschmacks des Londoner Theaterpublikums nur zweimal aufgeführt wurde, verwundert bei der...
Gioachino Rossinis eigene Aussagen über seine «Ermione» wirken auf den ersten Blick widersprüchlich. Einmal bezeichnete er das 1819 für Neapel geschriebene Werk als seinen «kleinen italienischen Wilhelm Tell», dessen Zeit wohl erst nach seinem Tod kommen werde. Dann wiederum behauptete er gegenüber Ferdinand von Hiller, «Ermione» sei eine «sehr langweilige» Oper,...