Bittersüß meine Rache

Marc-Antoine Charpentiers «Médée» gerät an der Staatsoper Berlin leider nur in musikalischer Hinsicht zum Ereignis

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Medea tanzt. Doch nicht im walzerseligen Dreiertakt schwebt die Zauberin über die Bühne. In ihrem heftigen Zucken wohnt der pure Zorn. Aber auch ein bisschen Traurigkeit und Verzweiflung. Denn diese Medea weiß sich (noch) keinen Rat, wie sie da durchs maschendrahtumhüllte Gehege fegt im güldenen Gewand (ist es womöglich mit dem Stoff jenes Goldenen Vlieses durchwirkt, für das sie zuvor mordete?), mit wild hinund herfliegendem Haar.

Vielmehr erinnert sie an den melancholischen Panther, wie ihn einst der Dichter Rilke besang: «Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe / so müd geworden, dass er nichts mehr hält. / Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe / und hinter tausend Stäben keine Welt. / Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, / der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, / in der betäubt ein großer Wille steht.»

Medea ist dieser «große Wille», seit Euripides, der sie als Bühnenfigur erschuf. Und schon bei diesem Dichter gilt sie als jene «Barbarin», von der sich das «zivilisierte» Volk abgrenzen kann, um bloß nicht in ihren Windschatten zu gelangen. Mit Medea muss und will man sich nicht identifizieren, sie steht für das Andere, ...

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Opernwelt Januar 2024
Rubrik: Im Fokus, Seite 22
von Jürgen Otten

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