Bitte keine Experimente
Es sind minus siebenundzwanzig Grad in Helsinki, der Schnee fällt schnell und schwer. Lange hält’s keiner draußen aus, schon gar nicht in Abendkleidung. Weil die Schneeberge empfindliches Schuhwerk ruinieren würden, hat die Nationaloper vorgesorgt: Schuhtaschen für jeden! An der Garderobe sitzen, hocken, stehen also rund zwölfhundert Menschen, um die Schuhe zu wechseln. Und: Das halbe Orchester ist bei der Anfahrt stecken geblieben. Also Warten auf «Die Frau ohne Schatten». Das Stück ist noch nie in Helsinki gespielt worden.
Auch ein Strauss-Festival hat es noch nie in Finnland gegeben.
Für «Die Frau ohne Schatten» ist Intendant Erkki Korhonen auf Nummer sicher gegangen. Bitte keine Experimente! Ein Märchen mit grandioser Musik sollte es sein. Michael Hampe hat sich an die Vorhabe gehalten. Auftritt, Abgang, dazwischen: Singen. Hans Schavernoch taucht die Geisterwelt in Nachtblau, verpasst der Färberwelt fahle, enge Gassen und armselige Behausungen einer orientalischen Metropole. Prospekte, Projektionen, bekannte Ästhetik, gemischte Gefühle.
Doch die Szene überstrahlt eine Sängerin: Kirsi Tiihonen als Färberin. Die finnische Sopranistin singt die Partie fast lyrisch, leicht, ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Das Englischhorn schnulzt, begleitet von der Harfe, eine zärtliche Arietta, die Tuba stampft mit schwerfälligen Koloraturen hinterher: Um verrückte Orchesterideen ist Hector Berlioz nie verlegen gewesen. Sein Orchester trällert, flüstert, parliert und explodiert auf jede erdenkliche Weise. Und das kann so amüsant sein, dass man die menschliche Stimme dabei gar...
Ob man die melodramatische Mär von dem glücklichen Bergburschen Pedro, der ihm in einem Tal der Tränen zugeführten Marta und deren Peiniger, dem Großgrundbesitzer Sebastiano, nun als deutsche Variante des Verismo feiert oder als Flachrelief eines Wagner-Epigonen abkanzelt – «Tiefland» bietet jede Menge Stoff für zupackende Solisten und Dirigenten. Die harmonische...
Von ihrer Dramaturgie her kann der «Salome»-Neuinszenierung des Mannheimer Nationaltheaters ohne weiteres zugestimmt werden. Gabriele Rech überfrachtet die Vorlage nicht durch weit hergeholte Assoziationen. Zentraler Ansatzpunkt: Die Titelfigur ist kein sexbesessenes männermordendes Ungeheuer. Im Text ist bekanntlich keine Rede vom sadistischen Monster, und die...