Bilderbogen
Die Trompete wimmert – zart, versehrt – im Nachhall des Schlagzeugs. Es klagt das Fagott. Erschöpfung liegt über der ersten Szene aus Volker David Kirchners neuer Oper «Gutenberg». Die Musik erinnert an die fahlen Stimmungen im Spätwerk von Dmitri Schostakowitsch, die Szene selbst – mit dem alten Johannes Gutenberg im Algesheimer Hof zu Mainz – ist ein Echo des «gotischen Zimmers» am Anfang von Goethes «Faust». Da ist jemand müde geworden vom eigenen Tun und hat den Appetit verloren auf die Zukunft, die ihm von der Nonne in Form eines «barmherzigen Süppchens» serviert wird.
In seiner neuen Oper, jetzt in Erfurt uraufgeführt, beschäftigt sich Kirchner, der auch das Libretto schrieb, mit Gutenberg, dem Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern. Die neun Szenen des einstündigen Stücks folgen keiner linearen Erzählung. Dem «betreuten Wohnen» zur Renaissancezeit folgen Alpträume der Kindheit, Rückblenden auf den analphabetischen Mob, Dialoge der Spekulanten, die aus Gutenbergs Erfindung Kapital zu schlagen suchen, die Verwüstung von Mainz durch die Truppen des Kurfürsten Adolf von Nassau. Das Libretto ist ein Bilderbogen – und die animierten Holzschnitte von fettfilm, die auf der ...
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Opernwelt Mai 2016
Rubrik: Panorama, Seite 45
von Jan Brachmann
Neue Musik – nur was für Extremisten, Freaks und Intellektuelle? Noch immer ist das Vorurteil weitverbreitet, doch in der Praxis haben die Aufräumarbeiten längst begonnen. Berührungsängste schwinden. Selbst Dominique Meyer, Chef der in puncto Zeitgenössisches eher verschnarchten Wiener Staatsoper, verordnet seinem Publikum mit Nachdruck neue Töne – und landet mit...
Es ist ein Ort der bleiernen Zeit, den die Ausstatterin Esther Bialas für Yuval Sharons Inszenierung von Peter Eötvos’ «Tri sestri» auf die Bühne der Wiener Staatsoper gebaut hat. Ein Salon, von entkräftetem Kerzenlicht beleuchtet, in dem die Stunden auf Zehenspitzen vorbeischleichen und die Tage wie Kugeln mit mattem Klang eintönig in weite, leere Gefäße fallen....
Das also ist das Elysium. Diese knallbunte Skulptur, die ein bisschen nach kunstvoll zusammengedrückten Pappstreifen aussieht. Ein Dichterhimmel wohl: Choristen lümmeln darauf, durch Sonnenbrillen lesend. Sonst sieht nicht viel nach Star-Architektur aus im neuen «Orfeo» der Berliner Staatsoper – und das ist auch besser so. Nichts gegen das Gefältel. Aber sollte ein...
