Bauchmensch
Ziemlich genau 30 Minuten ist der zweite Aufzug alt, da wird er zur Anfechtung, auch für manchen Wagner-Nerd. Der Überraschungsangriff des Vorspiels, die jubelnden «Hojotohos» Brünnhildes, der Ehezank im XXL-Format. Und dann verpuffen und versickern die Effekte, weil es für den Göttervater ans Eingemachte geht, weniger fürs Publikum, so ist das jedenfalls in vielen Fällen. «Als junger Liebe Lust mir verblich ...
» Ein weit ausgreifender Monolog, ein ausgedehntes «Was bisher geschah», ein Rückblick, von dem doch jede Kleinigkeit dem erfahrenen «Ring»-Besucher bekannt sein dürfte. Es ist für viele im Publikum der Moment des innerlichen Ausstiegs: Ist die Häppchen-Bestellung für die zweite Pause vollständig? Und ob der Herd daheim wirklich ausgeschaltet wurde?
In der Berliner Staatsoper, im Herbst 2022, ist das anders. Dort steht Michael Volle – und vor ihm am Pult Christian Thielemann, der die Staatskapelle in diesem Augenblick bis zur Unhörbarkeit dimmt. Als die ersten Worte des Monologs geformt werden, da stellen 1200 Menschen im Parkett und auf den Rängen das Atmen ein. Was jetzt kommt, ist ein Fall für die Annalen. Man verfolgt einen Bariton beim singenden Denken. Und erlebt ...
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Opernwelt Jahrbuch 2023
Rubrik: Sänger des Jahres, Seite 18
von Markus Thiel
Frau Meier, von Ingeborg Bachmann ist der Satz überliefert: «Aufhören können, das ist nicht eine Schwäche, das ist eine Stärke.» Mezzosoprane scheinen darin gut zu sein, drei Namen mögen genügen: Janet Baker, Brigitte Fassbaender, Christa Ludwig.
Ich sehe es so: Generell fällt es Männern schwerer, aufzuhören. Sie identifizieren sich mehr über ihren Beruf als...
Wir kennen diese Frau, ihr Leiden, ihre Einsamkeit. Und doch erstaunt die Drastik, mit der Barrie Kosky Katja Kabanowa in seiner Salzburger Festspiele-Inszenierung in den Vordergrund rückt und wie getrieben die Titelfigur in Janáčeks Oper ist. «Fast obsessiv rauft sich Corinne Winters (die uns, wie schon in der Genfer «Jenůfa», erneut mit ihrem enormen...
Die Oper ist als Geschichte durchaus lebendige Musik, als Genre heute aber völlig unzeitgemäß. Es ist Wahnsinn, nach Wozzeck eine Oper kom -ponieren zu wollen.» Diese Äußerung Mauricio Kagels aus dem Jahr 1971 formuliert bündig, welche Rolle das Musiktheater für die junge, um Pierre Boulez, Luigi Nono und Karlheinz Stockhausen gescharte Komponistengeneration der...
