Auf Wanderschaft

Schubert/Lang: The Cold Trip – Eine Winterreise
MAINZ | STAATSTHEATER

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Der Wanderer singt mit gespaltener Stimme, sein Gesang vervielfacht sich wie in einem Anfall von Schizophrenie. Anselm Dalferths Hörtheaterstück «The Cold Trip – Eine Winterreise» beginnt wie ein klassischer Liederabend, entwickelt sich jedoch bald zu einem verstörenden Streifzug durch wahnhafte Abgründe und vereiste Innenwelten. Das Stück verbindet den ersten Teil von Schuberts «Winterreise» mit Bernhard Langs zeitgenössischer Reflexion dieses Liederzyklus, «The Cold Trip», für Klavier, Laptop und Stimme.

In tadelloser Sängerhaltung am Flügel stehend, intoniert Steven Ebel das erste Lied «Gute Nacht». Begleitet wird er von Samuel Hogarth, dem musikalischen Leiter der Produktion. Ein klassischer Vortrag scheint da zu beginnen, wäre nicht dieser eigenartige, leere Blick, mit dem der Tenor in die Ferne starrt. Unbehagen stellt sich ein. Mitten in der «Wetterfahne» bricht Ebels Stimme plötzlich ab. Der Sänger kann sich nicht mehr auf den Beinen halten, sein Gesang droht in einzelne Partikel zu zerbersten. Bassbariton Harald Hieronymus Hein und die Sopranistin Maren Schwier stimmen aus dem Zuschauerraum heraus mit ein. Die Klänge, die das Mainzer Geräuschensemble erzeugt, lassen die ...

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Opernwelt März 2020
Rubrik: Panorama, Seite 46
von Silvia Adler

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