Auf der Achterbahn
Über seine wahre Herkunft lässt der rätselhafte Gralsritter Lohengrin das staunende Bühnenvolk wissen: « ... ein lichter Tempel stehet dort inmitten ...». Ein ganz anderes Erstaunen kennt der Opernbesucher in Chemnitz: Lohengrins Tempel, darf man fantasieren, wäre im Grunde genau hier zu verorten, an dem bei anbrechender Dunkelheit schimmernd bestrahlten Haus auf dem weiten Theaterplatz, pittoresk umrahmt von der Petrikirche und dem Palast der Kunstsammlungen.
Chemnitz, eine Stadt der politischen Krise? Das Theater jedenfalls leuchtet wie die «in fernem Land» angesiedelte Kunstvision Wagners. Seine «romantische Oper» befindet sich an ihrem angestammten Schauplatz. Und die «Gralserzählung», wie sie Mirko Roschkowski in der Premiere mit klarer, schöner, geschmeidig geführter Tenorstimme beschwört, ist nur der End- und Höhepunkt einer musikalisch rundum gelungenen Interpretation, für die der Chemnitzer GMD Guillermo García Calvo mit der beseelt klingenden Robert-Schumann-Philharmonie Sorge trägt.
Die harte szenische Distanz dazu wird unabweisbar, wenn sich nach den sorgfältig gebauten Klangwundern des Vorspiels der Vorhang hebt. Kaum bruchlos ist die ätherische Kunstübung der ...
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Opernwelt März 2020
Rubrik: Panorama, Seite 40
von Wolfgang Schreiber
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