Affekt und Schönklang
Es ist ein gewaltiger Sprung, den sich Agneta Eichenholz mit ihrer Alcina zutraut: Von der Lulu, mit der sie vor knapp zwei Jahren an Covent Garden den internationalen Durchbruch feierte, zu Händels Zauberin zu wechseln, heißt vom Opfer zur Täterin werden, von der Kindfrau zum männerverzehrenden Vamp.
Dass die Schwedin auch das Format für die reife Femme fatale hat, wird bei ihrem Rollendebüt an Göteborgs Oper bald klar: Schon was die Expansionsfähigkeit ihres leicht metallischen Soprans angeht, ragt Eichenholz aus dem Ensemble und wächst mit ihren beiden großen Arien «Ah, mio cor» und «Ombre pallide» zu tragischem Heroinen-Format. Dass Eichenholz keine genuine Barock-Sängerin ist und beispielsweise ein Triller bei ihr kaum anders klingt als ein Vibrato, stört eher am Rande – eine spannungsvollere Artikulation des Textes, der mit Worten wie «tradito» und «schernito» schließlich dramatische Steilvorlagen en masse bietet, wird sich hoffentlich im Laufe der Aufführungen entwickeln.
Wie viele skandinavische Häuser versucht auch Göteborg, seine Produktionen mit heimischen Kräften zu besetzen. In Schweden funktioniert das angesichts einer ausgezeichneten Ausbildung, die immer wieder ...
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Opernwelt April 2011
Rubrik: Panorama, Seite 40
von Jörg Königsdorf
Tschaikowskys «Eugen Onegin» verlangt eine genaue Kenntnis der sozialen, psychologischen, gesellschaftlichen und politischen Lebensbedingungen der Menschen um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Russland. Verloren in den Weiten eines unendlichen Landes, Rückständigkeit bei der anderswo rasch sich entwickelnden Industrialisierung, Sehnsucht nach einer fernen Welt...
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