
Foto: Theater / Jochen Quast
Ästhetischer Übergriff?
Schon vor 40 Jahren hat Hans Werner Henze gegen die wahllose Selbstbedienung des Tanztheaters aus dem Plattenschrank der Musikgeschichte polemisiert: «Es wäre mir angenehm, die Choreographen würden ihre Füße von der Musik lassen, die nicht für sie gedacht ist.» Längst haben diese «Übergriffe» aufgrund einer «mangelhaften ästhetischen Erziehung» (Henze) auch das Musiktheater erreicht. Händel-Oratorien, Bach-Passionen und Bach-Kantaten, selbst die Totenmessen Mozarts und Verdis sind auf der Bühne zu besichtigen.
Die Frage nach dem künstlerischen Mehrwert einer solchen Dramatisierung und Visualisierung stellt sich besonders dringlich bei Bachs überwiegend chorisch besetzter «Messe in h-Moll» mit ihrer komplexen Kontrapunktik. Handlung ist aus dem Gottesbekenntnis der lateinischen Messe beim besten Willen nicht herauszukitzeln; auch formal findet sich, anders als in den Oratorien, Passionen und Kantaten mit ihrer Abfolge von Rezitativen und Arien, keine Berührung mit der Oper. Achim Freyer hat die «H-Moll-Messe» 1996 als «theatralischen Versuch über das Dasein» inszeniert, dabei Chor und Solisten in den Orchestergraben verbannt und auf der Bühne eine Art wortloser, seelischer Anatomie ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt Februar 2018
Rubrik: Panorama, Seite 47
von Uwe Schweikert
Es war ein Amerikaner, der die tragédies lyriques des Sonnenkönigteams Jean-Baptiste Lully und Philippe Quinault vor drei Jahrzehnten wieder auf die Tagesordnung setzte. Erst die von William Christie zum 300. Todestag Lullys betriebene Wiederentdeckung des «Atys» (1676) gab den Anstoß, auch seine anderen für Versailles verfassten Bühnenwerke vom Archivstaub zu...
Die schöne Unbekannte liegt im Halbfeld links, gefährlich nah am Rand. Goldglänzendes Cocktailkleid, eine rote Einstichstelle nahe dem Herzen. Niemand, der sie beachten würde; anscheinend gehört das Sterben zum Geschäft, ist Teil der Staatsräson, Kollateralschaden. Wer die Tote ist, erfahren wir auch in den folgenden dreieinhalb Stunden nicht, können es nur...
Seinem Kompositionslehrer Max Bruch war er Grund genug, mit ihm zu brechen. Doch aus der Retrospektive muss man sagen: Der Weg, den Oscar Straus mit seiner ersten Operette «Die lustigen Nibelungen» einschlug, hat der Gattung besser getan als seine Wendung zum Sentiment in seinem Meisterwerk «Ein Walzertraum». Satire, zumal wider die Obrigkeit, hatte es nicht leicht...