Vollendeter Musikgenuss

Neues Akustiksystem im Congress Centrum Suhl

Bühnentechnische Rundschau

Rechtzeitig zum Silvesterkonzert 2018 wurde im Großen Saal des Congress Centrum Suhl (CCS) das neue Amadeus Active Acoustics System zur Optimierung der Konzertsaalakustik in Betrieb genommen. Mit einem Tastendruck wird jetzt der Klang des Saals für den jeweils vorgesehenen Veranstaltungstyp optimal eingestellt.

Das CCS gilt als die größte multifunktionale Veranstaltungsstätte Südthüringens. Es wurde Anfang der 1970er-Jahre als „Stadthalle der Freundschaft“ erbaut und Anfang der 90er zum heutigen Congress Centrum Suhl erweitert.

Der Große Saal des CCS wird für Konferenzen, Kabarett, Konzerte unterschiedlichster Musikgenres und andere Veranstaltungen genutzt. Er unterscheidet sich durch seine Größe mit einem Volumen von 34.000 m³, den 2352 Sitzplätzen und einer Szenenfläche von 320 m² von den üblichen Größenverhältnissen in Mehrspartenhäusern und vergleichbaren Veranstaltungssälen.

Durch Schallabsorptionsmaßnahmen besitzt der Saal eine „natürliche“ Nachhallzeit von 1,3 Sekunden. Er ist dadurch bestens geeignet für Sprachveranstaltungen und zum Beispiel die regelmäßig stattfindenden Fernsehshow-Produktionen. Für Kammermusik und in noch stärkerem Maße für symphonische Konzerte war die Akustik aber zu trocken. Dies hatte zu Kritik geführt. Ziel war es nun, das Hörerlebnis für die Zuhörer zu verbessern und die sehr kurzen Nachhallzeiten im Großen Saal für konzertante Aufführungen deutlich zu verlängern. Insbesondere sollte die klangliche Umhüllung während eines Konzerts und die wahrgenommene Lautheit gesteigert werden. Um dem breiten Angebot des Congress Centrums gerecht zu werden, sollte die Akustik für verschiedene Konzerttypen optimiert werden und die Auswahl der für die jeweilige Veranstaltung gewünschte Raum-akustik vor der Veranstaltung auf einfache Art und Weise möglich sein.

Neu: ein regeneratives Akustiksystem

Die Betreiber des CCS entschieden sich für ein regeneratives elektro-akustisches Amadeus Active Acoustics System. Amadeus bietet die neueste Technik zur Optimierung von Nachhall und zur Erzeugung früher Reflexionen. Außerdem können bereits installierte Komponenten wie Lautsprecher weiterhin genutzt werden, wenn sie den spezifischen Kriterien für Akustiksysteme genügen. Darüber hinaus ist die Systemsoftware des Amadeus-Core-Prozessors im Gegensatz zu früheren elektroakustischen Raumakustiksystemen nicht an systemeigene Hardware gebunden. Amadeus nutzt Plattformen und migriert mit den Weiterentwicklungen der Hardware und deren Betriebssystemen. Das verlängert die Laufzeit um viele Jahre. Das neue System wird z. B. erfolgreich im Kuppelsaal Hannover und im Congress Centrum Alpbach in Tirol eingesetzt und ist für die Betreiber einfach zu bedienen.

Für die Optimierung der Akustik arbeitet der Amadeus-Core-Prozessor regenerativ. In einem solchen System werden sowohl die Signale der Bühne als auch der diffuse Klang im Zuhörerraum aufgenommen. Im ganzen Saal verteilte, fast unsichtbar installierte Mikrofone übertragen die Signale des Saals zum Prozessor. Die akustisch entscheidenden Parameter der einzelnen Signale werden dort je nach Anforderung bearbeitet und die Signale danach wieder über eine große Zahl unauffällig in der Decke und an den Seitenwänden installierter Lautsprecher in das diffuse Klangfeld des Raums ausgegeben. Durch die Reproduktion des natürlichen Klangs im Saal werden die Hallenergie und damit das Gefühl der Umhüllung durch den Klang gesteigert. Die Bühnensignale werden darüber hinaus dafür benutzt, den Anteil der Reflexionen am Gesamthall zu erhöhen, die innerhalb weniger Millisekunden nach dem Direktschall beim Hörer eintreffen. Diese sogenannten frühen Reflexionen sind entscheidend für die räumliche Wahrnehmung, die Transparenz des Klangs und die Sprachverständlichkeit.

Regenerative Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass der Klang des gesamten Veranstaltungssaals berücksichtigt wird. Die zusätzliche Hall-energie und der höhere Anteil früher Reflexionen ändern so die natürliche Raumakustik mit dem gleichen Ergebnis, wie es architektonische Maßnahmen, z. B. der Einsatz akustisch veränderbarer Oberflächen oder die Ankopplung eines zusätzlichen Volumens als Nachhallreservoir, erreichen könnten. Das Ergebnis wird als sehr natürlich empfunden. Wie in einem architektonisch optimierten Konzerthaus erleben Publikum und Musiker ein vergleichbares Raumgefühl.

Planung und Systemaufbau

Im Rahmen ihrer Gesamtplanung des Projekts legte die ADA Acoustics & Media Consultants GmbH unter Leitung von Geschäftsführer Prof. Dr. Wolfgang Ahnert aus Berlin die Gesamtzahl und Position der Mikrofone und Lautsprecher für den großen Saal fest. Wegen der Größe der Halle wurde besonders darauf geachtet, eine homogene Verbesserung auf allen Plätzen zu erreichen. Gleichzeitig musste sichergestellt sein, dass einzelne Lautsprecher nicht herausgehört und lokalisiert werden können.

Bei der folgenden Auswahl der Komponenten wurde Wert darauf gelegt, dass sie möglichst rauscharm und verzerrungsfrei arbeiten. Zur Erfassung der akustischen Signale auf der Bühne werden sieben Audio-Technica-U853-Mikrofone so durch die Decke einer bei Konzerten genutzten mobilen Orchestermuschel geführt, dass sie den durch die Muschel gebildeten „Konzertraum“ gleichmäßig abdecken. Weitere sieben Mikrofone des gleichen Typs sind gleichmäßig über dem Zuhörerraum verteilt. Zwölf dieser insgesamt 14 Mikrofone besitzen Nierencharakteristik, die Reflexionen von der Decke ausblenden. Über der Bühne werden daneben zwei Kugelmikrofone eingesetzt, die den gesamten Klang in der Orchestermuschel detektieren. Eine besondere Herausforderung war es, in dem knapp bemessenen, zur Installation zur Verfügung stehenden Raum in der Decke des Großen Saals mögliche Interferenzen der Mikrofonkabel mit der restlichen, schon existierenden Verkabelung der Hallentechnik zu vermeiden.

Nach der Bearbeitung im Amadeus-Core-Prozessor werden die Signale über zehn Bittner-8X100-Leistungsverstärker auf 109 Lautsprecher verteilt. Verstärker und Lautsprecher für Raumakustiksysteme müssen für einen natürlichen Klang einen möglichst glatten Frequenzgang liefern und die Lautsprecher zusätzlich eine gleichmäßige Abdeckung über einen breiten Abstrahlwinkel bieten. Die 74 bereits vorhandene JBL-Control-28-Lautsprecher im Deckenbereich wurden einzeln überprüft. Die Messungen zeigten, dass sie in dem neuen System weiterverwendet werden können. An den Seiten und im hinteren Saalbereich wurden 35 Renkus-Heinz-CX61-Lautsprecher neu installiert. Um ein gleichmäßiges Klangbild der verschiedenen Lautsprecher an ihren unterschiedlichen Positionen zu erzeugen, wurden alle Lautsprecher einzeln über den EQ des Amadeus-Core-DSP abgeglichen.

Die große Zahl an Lautsprechern an Decken und Wänden und die Positionierung außerhalb der sogenannten kritischen Distanz gewährleisten zum einen eine gleichmäßige Abdeckung der ganzen Halle und verhindern, dass einzelne Lautsprecher lokalisiert werden können. Zum anderen lässt sich so an jedem Platz im Zuhörerraum der jeweils für diesen Ort spezifische Raumklang erzeugen. Dazu wurde jeweils einem bzw. maximal zwei Lautsprechern ein eigener Verstärkerkanal zugeordnet. Vom Amadeus-Core-Prozessor werden die der Raumposition entsprechenden Signale spezifisch den einzelnen Lautsprechern zugeteilt.

Die Übertragung der Signale erfolgt über ein neu installiertes Dante-Netzwerk. Bei den Wandlern fiel die Wahl auf Multikanal-Schnittstellen von Attero Tech, die viele Kanäle in kompakten Gehäusen besitzen und sich außerdem durch eine hohe Audioqualität auszeichnen – ein entscheidendes Kriterium bei Systemen mit einer großen Zahl offener Mikrofon- und Lautsprecherkanäle. Als A/D-Wandler wird eine Synapse-D16Mio-Schnittstelle von Attero Tech benutzt. In einer Höheneinheit integriert sie platzsparend 16 Mikrofonvorverstärker-Kanäle in Studioqualität. Als D/A-Wandler für die Lautsprechersignale kommen drei unD32-Break-outboxen zum Einsatz.

Die gesamte neue Anlagentechnik – außer den Lautsprechern und Mikrofonen – konnte in zwei schon existierende Geräteschränke auf dem engen Raum einer beeindruckenden, halboffenen, kreisförmigen Konstruktion im Dachraum über den Zuschauern installiert werden.

Presets für unterschiedliche Veranstaltungsformen

Nach der Installation wurden die raumakustischen Parameter für verschiedene gewünschte Veranstaltungstypen in der Halle optimiert und Presets entsprechend konfiguriert und gespeichert. Vor einer Veranstaltung lässt sich jetzt die gewünschte Raumakustik einfach per Tastendruck über ein passwortgeschütztes iPad aufrufen:

Akustik Aus: Das System ist deaktiviert.

Akustik An: Das System wird aktiviert und Presets können aufgerufen werden.

Theater: Die mittlere Nachhallzeit beträgt ca. 1,4 bis 1,5 Sekunden. Die Raumakustik entspricht in etwa der natürlichen Saal-Akustik ohne Nachhallverlängerung, jedoch mit Verdichtung der frühen Reflexionen. Sie ist optimiert für eine hohe Sprachverständlichkeit mit der für einen Theatersaal typischen akustischen Umhüllung.

Kammermusik: Die mittlere Nachhallzeit beträgt ca. 1,7 bis 1,8 Sekunden. Mit diesem Preset wird die Dichte der frühen Reflexionen weiter erhöht. Das Gefühl der Umhüllung und der empfundenen Lautheit ist gesteigert bei gleichzeitig hoher Transparenz.

Sinfoniekonzert: Die mittlere Nachhallzeit beträgt ca. 2,0 bis 2,2 Sekunden. Dieses Preset bietet eine für symphonische Konzerte gewünschte Nachhallzeit. Die Dichte der frühen Reflexionen ist weiter erhöht. Gleichzeitig ist die Transparenz für Solisten und einzelne Instrumente oder Instrumentengruppen in einem Orchester gegeben.

Kathedrale: Die mittlere Nachhallzeit ist länger als 3 Sekunden. Dieses Preset
bietet für den Saal überlange Nachhallzeiten und wird für besondere Effekte oder für Systemdemonstrationen verwendet.

Eine Investition in die Zukunft

Der Zeitplan des Projekts war knapp bemessen: Für den Abbau und die Entsorgung des früheren Systems, die Installation des neuen Systems, Prüfung aller Komponenten und Leitungen sowie das Einmessen der Anlage standen wenige Wochen direkt vor Weihnachten zur Verfügung. Dabei lief der Betrieb mit fast täglichen Umbauten, Proben und Veranstaltungen in vollem Umfang weiter.

„Die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten war außerordentlich angenehm und professionell“, sagt Thomas Lunacek, Geschäftsführer des installierenden Unternehmens Elektroakustik Neuenhagen GmbH. So konnte die Anlage rechtzeitig zum Silvesterkonzert mit den Prager Festival Sinfonikern unter Petr Šumnik und den Solisten Akiko Yamaguchi (Sopran) und Xu Chang (Tenor) übergeben werden. „Wir glauben, dass mit der neuen Enhancement-Anlage im Großen Saal für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte eine qualitativ hochwertige Darbietung orchestraler Musik im CCS vergleichbar mit der akustischen Qualität bekannter Konzertsäle möglich sein wird“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Ahnert und hebt die Flexibilität hervor: „Auf Knopfdruck sind verschiedene Settings möglich, die akustische Verhältnisse nicht nur für sinfonische Konzerte, sondern auch für Kammer- und Jazzkonzerte und auch für Rock- und Popveranstaltungen sicherstellen. Für Sprachveranstaltungen kann das System ausgeschaltet werden.“

Die ersten Erfahrungen und Rückmeldungen bestätigen die Einschätzung: „Die CCS GmbH ist sehr zufrieden mit dem Ergebnis des Einbaus dieser Nachhallverlängerungsanlage“, sagt Diana Schneider, Geschäftsführerin des Congress Centrum Suhl. „Dies belegt auch die Vielzahl der Rückmeldungen unserer Konzertbesucher, die von einem besonderen Klangerlebnis und einem vollendeten Musikgenuss sprechen.“ Und der Veranstalter und Inhaber der MKGD – Mitteldeutsche Konzert- & Gastspieldirektion, Bodo Dresen, ergänzt: „Der Einbau der Akustikanlage Amadeus ist für das Publikum in der Region und für die hier in Suhl auftretenden Künstler ein wunderbares Geschenk.“ Der Große Saal biete in der Nutzung als Konzertsaal den Besuchern nun eine Raumakustik, die in Thüringen einmalig sei. „Unsere hier auftretenden Spitzenorchester aus Leipzig, Prag und Jena loben die neue Akustik, die Musiker fühlen sich klanglich und spieltechnisch sehr wohl.“ 
 

Projektbeteiligte

Auftraggeber: CCS – Congress Centrum Suhl
Planung: Prof. Dr. Wolfgang Ahnert, ADA Acoustics & Media Consultants GmbH, Berlin
Lieferung Systemkomponenten: MediasPro Medientechnik GmbH, Eckersdorf
Installation Akustik-System und Dante-Netzwerk: Elektroakustik Neuenhagen GmbH
Einmessen der Lautsprecher, Mikrofone; Konfiguration der Presets: Amadeus Acoustics OG, Salzburg


Die Autorin:

Monika Brauer

ist Fachjournalistin und verantwortlich für die Pressearbeit der MediasPro Medientechnik GmbH, Eckersdorf. MediasPro ist das Vertriebsunternehmen für die Amadeus-Systeme.

 


BTR Ausgabe 2 2019
Rubrik: Thema: Licht & Ton, Seite 34
von Monika Brauer/Firmeninfo

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