«Wir gehören zu Europa, zum Westen»

Der Film- und Theaterregisseur Andrzej Wajda in einem seiner letzten Gespräche über die neue polnische Regierung, das Erbe von Solidarnosc, über japanische Kunst und den Tod

Andrzej Wajda: Ich habe nicht viel Zeit, verstehen Sie. Wer 90 ist, ist ein alter Mann. Deswegen beeile ich mich und denke schon an den nächsten Film. Solange ich stehen kann, ausreichend Kraft habe, um mich beim Filmteam durchzusetzen, solange werde ich drehen. 

Donata Subbotko: Hatten Sie vor, so alt zu werden?
Wajda: Nein. Als der Krieg zu Ende ging, war ich 19, und ich dachte nur an eins – dass ich nicht in den letzten Monaten, in den letzten Wochen noch sterben muss. Dass ich es schaffe, die Kunstakademie in Krakau zu besuchen.

Nur dafür habe ich damals gelebt.

Subbotko: Und wofür leben Sie heute?
Wajda: Um den nächsten Film zu machen und nicht ansehen zu müssen, was jetzt um mich herum passiert. Einige Ideen habe ich, mal sehen. Ich möchte, dass die Menschen auf meine Filme leicht erstaunt reagieren: Ja, genau, das ist es, was uns beschäftigt. Das ist so eine Art Gespräch mit dem Publikum und zugleich die Rechtfertigung vor mir selber, warum ich immer noch Filme mache.

Subbotko: Welcher Film steht Ihnen am nächsten?
Wajda: Wenn es nur um einen Film ginge, dann hätte ich nach «Asche und Diamant» aufhören müssen. Aber ich war damals 30 und der Überzeugung, dass es für mich ...

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Theater heute Dezember 2016
Rubrik: Akteure, Seite 40
von Donata Subbotko

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