Wien: Ficken und Shoppen
Emma Bovary gehört zu den unglücklichsten Romanheldinnen der Literaturgeschichte. Bald nachdem sie den liebenswürdigen, aber langweiligen Landarzt Charles Bovary geheiratet hat, erkennt sie, dass das ein Fehler war; spätestens nach der Geburt ihrer Tochter, mit der sie nicht viel anfangen kann, entwickelt sie eine mittelschwere Depression. Nach einem folgenlosen Flirt mit dem jungen Notar Léon hat sie eine leidenschaftliche Affäre mit dem Dorfcasanova Rodolphe; nach deren abruptem Ende – Rodolphe wird die Sache zu heiß – ist Emma am Boden zerstört.
Als sie sich wieder erholt hat, trifft sie zufällig Léon wieder, und diesmal bleibt es nicht beim Flirt: Eine berühmte Passage des Romans schildert eine lange Kutschenfahrt, in deren Verlauf die beiden zum ersten Mal miteinander schlafen – ohne dass das im Text erwähnt würde.
Überhaupt finden sich in dem Roman kaum entsprechende «Stellen»; dass sich Gustave Flaubert vor Veröffentlichung der Buchausgabe 1857 dennoch vor Gericht verantworten musste, hatte wohl mehr mit dem grundsätzlich «unmoralischen» Charakter des Werks zu tun. Der Autor verurteilt seine Titelfigur nicht, er beschreibt nur mit an Grausamkeit grenzender Genauigkeit ihr ...
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Theater heute Juni 2018
Rubrik: Chronik, Seite 60
von Wolfgang Kralicek
Dieses Land hat doch nur begrenzte Möglichkeiten. Zumindest für Menschen wie Khalil. Er wurde zwar in Amerika geboren, doch seine Eltern sind bosnische Einwanderer. Sie sind muslimisch, und Khalil und sein Bruder Amir erfahren an Leib und Seele, was es heißt, «anders» zu sein. Ein Spiel zwischen Anpassung und Radikalisierung beginnt so in Morton Rhues Stück...
I was so furious, I didn’t fall asleep», sagt die Frau hinter mir am Schluss der Show: Ich war so zornig, dass ich nicht einschlafen konnte. Natürlich ist es anders gemeint, dennoch klingt es – wie ein Kompliment. Wo etwas zu ärgerlich zum Einschlafen ist, da ist etwas passiert. Anselm Weber, seit Beginn dieser Spielzeit Intendant des Schauspiel Frankfurt, und...
Fast überrascht es, dass dieses Jahr auch wieder klassische Regieformate in nennenswerter Zahl beim Festival Radikal jung vertreten sind. So weit hatte man sich in den vergangen Jahrgängen mitunter schon von der Zentralinstanz, die einen literarischen Text durch Rollenspiel in szenischen Abläufen erzählen lässt, entfernt. Zugleich sind in der 14. Ausgabe der vom...