Tschechows Phantome

Stefan Puchers «Onkel Wanja» am Theater Basel

Theater heute - Logo

Es ist ein Abend, wie er im Theater eigentlich immer sein müsste: betörend, melancholisch, aber auch gescheit und scharf und ausweglos in seiner Konsequenz. Ein kleines bisschen fahrig vielleicht in seiner Collagierseligkeit, manchmal etwas zu beschwipst von den Einsatzmöglichkeiten des Komödiantischen, aber doch immer Blueprint für das Leben, wie es eben ist oder nicht ist. Vergangenheit und Gegenwart in eins gefallen, ein schönes altes Bild zwar, das aber plötzlich zu leben beginnt und die schöne, träge Tschechowsche Theaterheimat unheimlich macht. Kurz: Ein neuer Pucher ist da.

 

Nach «Kirschgarten», «Möwe» und «Drei Schwestern» jetzt also auch der «Onkel Wanja». Und wieder ist es eine Arbeit geworden, die zwischen den Zeilen liest und grübelt und das Andere zu Tage bringt, all die höflich und krampfhaft unter Verschluss gehaltenen Neurosen und Verletzlichkeiten, und die vor allem andern eine unglaubliche Empfindsamkeit für atmosphärische Umsetzungen beweist. Pucher hat das Prinzip des Zwischenzeiligen in seinem «Wanja» noch einmal auf die Spitze getrieben und es zum Prinzip der totalen Umkehrung erhoben. Grob zusammengefasst heißt das: Wo Raum ist, wird Linie, leise ist das neue ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute November 2005
Rubrik: Starts, Seite 24
von Simone Meier

Vergriffen
Weitere Beiträge
Jenseits des Generationenvertrags

Mit Vater ist nicht mehr viel los. Er hängt nur noch apathisch rum und redet häufiger mal wirr. Wenn er mit seinen alten Herren zusammen ist, schlagen sie kräftig über die Stränge. Und furchtbar launisch ist er geworden. «Vater, du bist alt. Vater, du wirst peinlich.» So muss es kurz vor der Abschiebung ins Pflegeheim zugehen, oder eben vor der Abschiebung König...

Der Karneval geht weiter

Barbara Burckhardt Der Held ihres Theaterstücks «Orpheus, Illegal», Stanislaw Perfetzki, ein reisender Dichter und politischer Aktivist, scheint nicht nur Ihr Alter Ego zu sein, er ist auch identisch mit dem Protagonisten Ihres dritten Romans von 1996, «Perversion», der ebenfalls nach Venedig reist, einen Kongress besucht und sich in eine schöne Ada verliebt....

Der Gesang des Schreies

Ihr Mund ist es, der einen verfolgt. Wenn Almut Zilcher den Mund öffnet, meint man, die Bühne verwandle ihr Format – von der Totale zur Großaufnahme. Ist er stumm, dieser Mund, oder seufzt er, giert er, lacht, weint oder schreit er? Der Schrei, so Jean-Jacques Rousseau, gebäre sich aus dem Willen zum Überleben des Menschen. Mit ihm verwildert die Stimme, echot...