Stilwille gegen Inhaltismus
Das Beste an der Ruhrtriennale sind die tollen Orte, an die man gelotst wird. Nach all den Jahren gilt das nicht mehr so sehr für die gewaltigen deindustrialisierten Kathedralen einstiger Metallgewinnung und -verarbeitung – man kennt das inzwischen –, sondern eher für die putzigen und rührenden, bizarren bis einschmeichelnden vermeintlichen Problemzonen, an denen urbanistisch-soziologische, groß- und kleinstadtromantische und natürlich gentrifizierungskritische Installationen an den Start gebracht werden.
Jedesmal ist mein erster Reflex: Was!? Das soll das angeblich völlig heruntergekommene, von Arbeitslosigkeit gebeutelte Duisburg-Rheinhausen sein? Wo nur noch irgendein Szymanski mit dem Messer zwischen den Zähnen für Ordnung sorgen kann? Und dies der Drogenkiez der Dortmunder Nordstadt? Stattdessen Niedlichkeitsalarm: süße Arbeiterhäuschen, eine Änderungsschneiderei mit großzügigem Rosenschmuck, die Frau beim morgendlichen Bier vor der Eckkneipe mit den längsten blonden geflochtenen Extensions diesseits von fünfzehn Jahre alten R&B-Videos und der liebe verwirrte Rentner mit der coolen Pilotenbrille und der Sweatshirt-Aufschrift «Cheerleader».
Diesen Blick des leicht in Routinen ...
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Theater heute Oktober 2018
Rubrik: Festivals, Seite 6
von Diedrich Diederichsen
Anfang Mai veröffentlichte die Koalition der Freien Szene ein neues Positionspapier. Den «11 Punkten für eine neue Förderpolitik» war ein deutlicher Appell an die Berliner Kulturpolitik vorangestellt: «Nichts ist erledigt!»
Dass sich die Rhetorik des spartenübergreifenden Aktionsbündnisses, das sich 2012 im Radialsystem gegründet hatte, ausgerechnet in Zeiten...
Das hatten sich die Veranstalter so schön ausgedacht: Berlin, heutzutage ja auch nur eine europäische Hauptstadt unter anderen, sollte über Nacht sein jahrzehntelanges Alleinstellungsmerkmal, die Mauer, wiederbekommen – und zwar als Frühstücksüberraschung am Morgen des 12. Oktober. «Otto» ist der geheime Codename des über ein Kilometer langen neoantifaschistischen...
Herr Jedermann ist auf dem Salzburger Domplatz bereits an die 700 Tode gestorben. Und doch ist der Mann einfach nicht umzubringen. Seit die Salzburger Festspiele 1920 gegründet wurden, hat Hugo von Hofmannsthals katholisches Knittelversdrama einen Fixplatz im Spielplan. Als Andres Müry 2001 ein Buch über das Kultstück vorlegte, gab er ihm den schönen Titel...
