Schleichender Krankheitsverlauf
Sind wir nicht alle ein bisschen Castorp? Blässlich, kränklich, mittelmäßig?
So jedenfalls sieht es die Regisseurin Friederike Heller, die für ihre Version von Thomas Manns «Zauberberg» am Schauspiel Frankfurt das Publikum gleich mitbesetzt hat. Als schweigende Masse darf es dieser Hans Castorp sein, mit dem Mann in seinem Roman den Durchschnitt zum Helden gemacht hat. Und das gefällt den Frankfurtern, denn die frontale Erstversorgung scheint viel versprechend.
Zur Aufforstung des Vitaminbestandes bekommt die erste Reihe Orangen gereicht und hält brav das dargebotene Fieberthermometer, schließlich muss nach genau sieben Minuten ein Ergebnis her, damit die strenge Frau im weißen Kittel ihre Fieberkurve zeichnen kann.
Zusammen mit dem Dramaturgen Marcel Luxinger hat Heller 1000 Buchseiten auf 40 Manuskriptseiten und drei Sprecher eingedampft. Die Geschichte um Hans Castorps siebenjähriges Versanden in einem bergluftigen Sanatorium haben die Theatermacher großzügig weggelassen. Was bleibt, ist der Ideenzwist zwischen den Herren Naphta und Settembrini, die Thomas Mann als widerstreitende Mentoren für sein mattes Bürgersöhnchen in den Roman geholt hatte. «Positionen am ...
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L’origine rouge» von Valère Novarina wurde 2000 in Avignon uraufgeführt. Leopold von Verschuer, der damals mitspielte, hat jetzt die Riesenarbeit übernommen, das Stück ins Deutsche zu übersetzen, in Zürich zu inszenieren und selbst auf der Bühne zu stehen. Mehrere Lanzen werden im Theater Neumarkt gebrochen für den 1947 in der Westschweiz geborenen und in...
Was ist das nur für ein allerliebstes Bühnchen, das Karl-Ernst Herrmann da auf die Bühne des BE gestellt hat, ehe Handkes neues Stück überhaupt losgeht! Wie eine Spielzeugschachtel steht das Bühnenmodell, sorgfältig ausgeleuchtet, nahe der Rampe. Es steckt voller Bäumchen, und eine Mini-Allee führt in seine Tiefe. Auch zwei Wanderer-Puppen sind darin zu erkennen....
Der Nihilismus ist auch nicht mehr das, was er mal war. «O glaub mir, es gibt keine Liebe! Alles Eigennutz, alles Egoismus», knallte der Schulprimus der Herzen, Melchior Gabor, seiner Geliebten Wendla beim Heuboden-Rendezvous bis dato immer frühreif an den hübschen Kopf. Heutzutage ist man da pragmatischer. «Du siehst so beschissen gut aus», konstatiert der...