Theater heute April 2007
Foyer
Requiem fürs Programmheft
Jean Baudrillard, gestorben am 6. März 2007 in Paris, Theoretiker der Postmoderne, war einer der meistgedruckten Philosophen in deutschsprachigen Programmheften. Seine Denkfigur vom Ende der Wirklichkeit in einer Scheinwelt referenzloser Zeichen war der radical chic der achtziger Jahre und kam selbst an ein Ende, als er sich dem Phänomen des Terrorismus zuwandte. René Pollesch, Autor und Regisseur, denkt Baudrillards letzte Wendung weiter.
Aufführungen
Pure Vernunft darf manchmal siegen
Vom Stückezertrümmern zum Stückeverdichten: Michael Thalheimers «Herr Puntila und sein Knecht Matti», Dimiter Gotscheffs «Der Selbstmörder» und Johan Simons’ «Prinz Friedrich von Homburg»
Lohn der Angst free
Ob Friedrich Schiller noch politische Stücke schreibt? In Berlin lässt Nicolas Stemann Don Karlos an der Liebe leiden, Wolfgang Engel tourt mit «Wallenstein» durch Leipzig, und in Hamburg sorgt Stephan Kimmig für sicherste Verwahrung der Maria Stuart
Debatte
«Alles ist erzählt – und dann kommen noch zehn Minuten Musik»
«Routinemäßig werden missglückte oder halbherzige Kombinationen zwischen Schauspielregie und Opernmusik dem vielgeschmähten Regietheater angelastet. Hier kann man dem Lieblingsfeind des konservativen Feuilletons noch die unangetastet heile Welt der Musikaufführung entgegenhalten, an der sich dem Vorurteil zufolge seit Jahrhunderten nichts geändert hat», meint Diedrich Diederichsen. Auf den folgenden Seiten Beobachtungen von drei aktuellen Opern-Inszenierungen mit Schauspielregisseuren und ein Gespräch zwischen dem Stuttgarter Opern-Intendanten Albrecht Puhlmann, dem «Carmen»-Regisseur Sebastian Nübling und Bühnenbildnerin Muriel Gerstner über ihre Erfahrungen mit Opernregie und die Schwierigkeiten der musikalischen Zusammenarbeit
Kämpfe zwischen Graben und Bühne
Die Musik setzt dem Regietheater in der Oper Grenzen. Über Sebastian Nüblings «Carmen» und Calixto Bieitos «Jenufa» in Stuttgart und Luk Percevals «Marienvesper» in Berlin
Porträt
Er kann auch anders
Joachim Król, Schauspieler, spielt die unheldischen Helden. Und manchmal auch den Serienkiller. Ein Porträt
Serie Theaterkritik
Den Affen bewahren
Theaterkritik braucht den Mut zur Peinlichkeit und sollte sich nicht zu wichtig nehmen
Neue Stücke
Das Ende der Kronprinz-Rudolf-Äpfel
Die Geschichte wiederholt sich nicht. Peter Handke hat ein neues Stück geschrieben, Claus Peymann inszeniert, und Karl-Ernst Herrmann baut die Bühne: «Spuren der Verirrten»
Aus der Welt gefallen
Ulrike Syhas «Der Passagier», Martin Heckmanns’ «Wörter und Körper» und «Mala Zementbaum» von Armin Petras und Thomas Lawinky suchen nach Zusammenhalt
Chronik
Streng und monströs
Kleist «Penthesilea»
Der Tod und das Pärchen
Neil LaBute «Land der Toten», «Ich mag dich wirklich» (DE), «Helter Skelter» (U, Werkstatt)
Schleichender Krankheitsverlauf
nach Thomas Mann «Zauberberg. Positionen am Abgrund»
Klapperstorch kommt nicht mehr
Nuran Calis nach Wedekind «Frühlings Erwachen!»
Lebenszyklus eines Zynikers
Patrick Marber «Howard Katz»
Am katholischen Marterpfahl
García Lorca «Bernarda Albas Haus»
Prädemente Denkgymnastik
Wilhelm Genazino «Der Hausschrat»
Mission Sprachspirale
Valère Novarina «Der rote Ursprung»
Das Stück
Die japanische Lösung
Marius von Mayenburg über sein neues Stück «Der Häßliche», über den Zusammenhang zwischen Schönheit und Individualität und weitere Erfahrungen mit der Mechanik der Komödie
Daten
Medien/TV
Soll doch der Wind erzählen
Die Berliner Schule, der deutsche Film und sein Misstrauen gegen das gesprochene Wort
Mentale Landschaften
«Inland Empire», der neue Film von David Lynch, macht auch Analytiker zu Paranoikern
Schwindel erregend
Schauspieler des Lebens: Alexander Adolphs Dokumentation über vier «Hochstapler»
Bildungsoffensive für die Ohren
«Klassik: jetzt»: Das Radio arbeitet sich am Kanon deutscher Dramatik ab – und will es besser machen als das Regietheater
Suggestion ohne Ton
Stummfilm alt und neu auf der Berlinale: «Hamlet» mit Asta Nielsen, «Brand upon the Brain» von Guy Maddin
Magazin
Auf Pointe verzappelt
Stand-Up-Schauspieler on stage – zwei Fallbeispiele von der Insel
Die höhere Despotenlaufbahn Kleines Monster: «Süßer kleiner Adol
Kleines Monster: «Süßer kleiner Adolf – Genese eines Diktators» von Emanuele Conte in Genua
Der erste, der ging
Zum Tod des Brecht-Schülers und Fernseh-Pioniers Egon Monk, der für wenige Monate auch einmal das Deutsche Schauspielhaus Hamburg leitete