Pop-up-Kafka

Jan Klata nach Kafka «Amerika» (Schauspielhaus)

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«Der Verschollene» sollte nach Kafkas Willen der Roman heißen, nicht «Amerika». Diesen Titel erhielt Kafkas unvollendetes Werk erst durch seinen Herausgeber Max Brod. Aber nicht der Mensch, der verschwindet, sondern das Land, in dem er verschwindet, steht in der Bochumer Bühnenfassung im Mittelpunkt. In Kafkas Roman gerät sein junger Held Karl Rossmann auch in der Neuen Welt in den alten, undurchschaubaren Kreislauf von Verführung und schuldloser Schuld.

Die Bochumer Inszenierung aber nutzt die Gelegenheit zu einer genüsslichen Abrechnung mit allen Amerika-Klischees, die irgendwo im Hirn der Zuschauer spuken könnten.

Die dritte deutschsprachige Inszenierung des polnischen Regisseurs Jan Klata beginnt
mit überdeutlichen Symbolen: Alle Figuren außer Karl sind als Baseballspieler in Sternen-
banner-Kostüme gehüllt (Kostüme: Mirek Kaczmarek). Sie schauen über eine Schiffsreling auf den naiven Emigranten Karl herab. Dieses Schiff ist der beste Einfall der Inszenierung (Bühne: Justyna Łagowska). Es besteht nämlich aus sechs fast bühnenfüllenden Prospekten, die nacheinander nach vorne klappen und jeweils den Schauplatz einer Szene markieren. Wenn die nächste Klappe fällt, stürzt sie auf ...

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Theater heute Juli 2011
Rubrik: Chronik, Seite 53
von Gerhard Preusser

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