Nachrichten aus Dystopia

Die Wiesbaden Biennale treibt unter dem Motto «Bad News» die Umkehrung der Verhältnisse voran

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Keine schöne neue Welt, nirgends: Die zweite Wiesbaden Biennale entwirft die Topografie einer Dystopie. In den prächtigen Kitsch des neobarocken Foyers vom Hessischen Staatstheater ist die Filiale einer Supermarktkette eingezogen, in das pannesamtene Große Haus mit seinen Glaslüstern ein Parkhaus, ins Untergeschoss ein Pornokino. Werbeplakate schmücken den Säulengang vor dem Haus. Theater findet hier nicht mehr statt.

Was sich in vielen anderen europäischen Ländern abspielt – Ungarn allen voran –, hat auch Wiesbaden erreicht: der Raubbau an der Kunstszene, die Aufkündigung der scheinbaren Selbstverständlichkeit, Kunst sei ein elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft. 

Die Kurator*innen Maria Magdalena Ludewig und Martin Hammer erproben auf Zeit, was andernorts Wirklichkeit ist. Kamen die Theater-Transformationen bei ihrer ersten Biennale 2016 noch recht charmant daher, wenn sie beispielsweise im Foyer ein Hotel einrichteten, das bald ständig ausgebucht war, so zieht der Ton bei der zweiten Festival-Ausgabe merklich an. Unter dem Titel «Bad News» geht es raubeinig zu, provokativ, tolldreist. Bisweilen erscheint das Festival geradezu als Feld­versuch für Zerstörungsfantasien und ...

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Theater heute Oktober 2018
Rubrik: Festivals, Seite 18
von Esther Boldt

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