Mission Sprachspirale
L’origine rouge» von Valère Novarina wurde 2000 in Avignon uraufgeführt. Leopold von Verschuer, der damals mitspielte, hat jetzt die Riesenarbeit übernommen, das Stück ins Deutsche zu übersetzen, in Zürich zu inszenieren und selbst auf der Bühne zu stehen. Mehrere Lanzen werden im Theater Neumarkt gebrochen für den 1947 in der Westschweiz geborenen und in Frankreich berühmt gewordenen Dramatiker, Regisseur und Künstler Novarina (auch in Vorträgen, Filmaufführungen und in einem französischen Solo).
In Frankreich haben Novarinas sperrige Sprachspielstücke den Weg von der Avantgarde ins Repertoire der altehrwürdigen Comédie Française hinter sich. Hier muss man den 60-Jährigen noch einführen. Hier geht es – unverkennbar – um eine Mission.
«Non sum», sagt Verschuers Figur Anthropoklast bei ihrem ersten Auftritt – «ich bin nicht». Man könnte jetzt meinen, im vatikanischen Privattheater zu sitzen. Denn es gibt ja wieder Kreise, welche die Rückkehr zur lateinischen Messe fordern. So häretisch die drei Stunden mit Novarinas «Der rote Ursprung» Herrn Ratzinger auch erscheinen würden – Anthropoklast könnte man mit «Anhänger der Zerstörung des Menschengeschlechts» übersetzen –, um eine ...
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Die Wände bilden ein Kreuz – ein metallisch kalt schimmerndes. Die fahrbaren Elemente dieses Drehkreuzes werden in den häufigen Szenenwechseln von jungen schlanken Mädchen verschoben wie Uhrzeiger, die das Vergehen der Zeit und ewige Sisyphos-Anstrengung symbolisieren. In den Nischen der vier wuchtigen Streben (Bühne Christof Hetzer) wohnen, als wären es...
Es gibt einen sehr vernünftigen und ungewöhnlich konstruktiven Satz vom größten Pessimisten des 20. Jahrhunderts, E. M. Cioran: «Wer Angst vor der Lächerlichkeit hat, wird es weder im Guten noch im Bösen sehr weit bringen.» Wer sein Leben lang denselben Job gemacht hat, wird mit dieser Weisheit vielleicht nicht viel anfangen können, und wer seine Sandkastenliebe...
Der Nihilismus ist auch nicht mehr das, was er mal war. «O glaub mir, es gibt keine Liebe! Alles Eigennutz, alles Egoismus», knallte der Schulprimus der Herzen, Melchior Gabor, seiner Geliebten Wendla beim Heuboden-Rendezvous bis dato immer frühreif an den hübschen Kopf. Heutzutage ist man da pragmatischer. «Du siehst so beschissen gut aus», konstatiert der...