Mehr als Opium
Max Reinhardt gehört zu den großen Verkannten der Theatergeschichte. Das mag angesichts seines geradezu legendären Rufs vielleicht paradox klingen. Doch beim näheren Hinsehen ist Reinhardts Ruf zwiespältig. Theaterleute von heute beziehen sich lieber auf die zahllosen (und nicht selten dem diskreten Charme diverser Diktaturen erlegenen) Weltverbesserer, die die deutsche Theatergeschichte hervorbrachte, statt auf diesen revolutionären Erneuerer der Bühnenkunst, der mit Theatermachen auch noch Geld verdiente, was ihn für viele noch einmal doppelt verdächtig macht.
Reinhardt gilt bis heute eher als Antimoderner, als Verfechter eines zuschauerüberwältigenden Illusionsapparates, der das Theater als Opium des Volkes verstand.
Dass dieses Reinhardt-Bild dringend revisionsbedürftig ist, wurde schon in einer Reihe von Veranstaltungen deutlich, die das Deutsche Theater Berlin in der vergangenen Spielzeit zum hundertsten Jahrestag von Max Reinhardts Übernahme des Hauses initiiert hatte. Besonders die Theaterwissenschaftler Christopher Balme und Erika Fischer-Lichte zeichneten ein äußerst differenziertes Bild dieses Theatergiganten, der nicht nur die Regie einst zur eigenen Kunstform erhob, ...
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