Männer vor Flusslandschaft
New York, 1975. Die verlassenen, verfallenden Docks am Ufer des Hudson River sind schwule Cruisingzone und üben auch auf Künstlerinnen und Künstler starke Anziehungskraft aus. Mazlum Nergiz hat die Gegend zum Schauplatz seines neuen Stücks «Am Fluss» gemacht. Die urbane Flusslandschaft macht es möglich, verschiedene Themen und Zeiten zusammenzubringen. Zitat: «Wenn wir ins Wasser starren, treiben Gedanken hoch wie in Plastiktüten umhüllte Leichen, die an die Oberfläche kommen.
» Das «Wir», das da spricht, ist eine chorische Erzählerstimme, die das Bild beschreibt, das vor dem inneren Auge des Publikums erscheinen soll. Aus der Masse der Männer, die sich zum anonymen Sex treffen, treten zwei Protagonisten hervor: Der 55-jährige Mathelehrer Christopher und der zehn Jahre jüngere Anwalt Dan lernen sich hier kennen und werden ein Paar. Christopher ist übrigens Deutscher; sein erster Freund, ein Widerstandskämpfer, war 1940 im KZ Sachsenhausen erschossen worden.
Außerdem lässt Nergiz drei historische Persönlichkeiten auf den Plan treten: den Psychiater Wilhelm Reich (1897–1957), der das Ausleben des Sexualtriebs propagierte, Homosexualität für eine Krankheit hielt und zur Ga -lionsfigur ...
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Theater heute Februar 2025
Rubrik: Chronik, Seite 61
von Wolfgang Kralicek
Was für ein Schweinesystem! In Hannover, im Ballhof Eins, hat Emre Akal «Animal Farm» weitergedreht, hat an das Ende dieser dystopischen Fabel aus dem Jahr 1945 seinen Anfang gesetzt: Die Schweine, die in George Orwells Text immer mehr den Menschen ähneln, regieren über die Menschen. Und die Menschen, oder eben das, was von ihnen übrig geblieben ist, sind die...
Schauspieler können nicht stottern. Besser gesagt: Sie wissen nicht, wie man Stottern richtig spielt. «Typisch ist, dass sie nichts anderes machen, als Silben zu wiederholen», sagt Marianne Vlaschits. Ihr Stottern sei viel zu regelmäßig, es fehlten die langen, verstörenden Pausen. «Das Elementare am echten Stottern ist ja, dass der Rhythmus total zerstört wird.»
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«Draußen vor der Tür» boomt auf deutschen Bühnen. Angesichts der Weltlage kein Wunder. Ein Stück, dessen Qualitäten auch im Authen -tischen liegen, weil sein Autor Wolfgang Borchert im Zweiten Weltkrieg selbst als Soldat an die Front musste, und dann 1947 seinen kriegsbedingten körperlichen Leiden 26-jährig erlag. «Draußen vor der Tür» ist das Stück eines sensiblen...
