Köln: Wurzelbehandlung
Dieser Spielzeitauftakt proklamiert lautstark politische Relevanz. Intendant Stefan Bachmann eröffnet in Köln mit «Vögel», der gehypten sogenannten «Romeo-und-Julia-Geschichte vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts». Darauf folgen Carolin Emckes Essay zum erstarkenden Verbal- und Rechtsradikalismus in Deutschland «Gegen den Hass» und der dystopische Klassiker «Schöne neue Welt».
Die Produktion, die die Relevanzbehauptung wirklich einlöst – und nebenbei die mit dem besten Soundtrack –, ist die kleinste der drei: der kluge Science-Fiction-Abend des jungen spiel-, tanz- und streitfreudigen Import-Export-Kollektivs nach Aldous Huxley.
In Choreografien, die Judith Niggehoff unter anderem aus Instagram-Posen entwickelt hat, präsentieren 15 junge Spieler*innen einen Schnelldurchlauf durch die unheimliche Klassengesellschaft der «Schönen neuen Welt»: Dort ist Glücklichsein – und Drogenkonsum – Pflicht. Sozialer Status, Job und IQ werden vor der Geburt durch Genmanipulation festgelegt. Die sterile, manisch jugendliche Gesellschaft spricht und agiert in der Inszenierung von Bassam Ghazi wie unter Dauerstrom. Stimmen und Verhalten erinnern an Junggesellinnen-Abschiede, schrill, auf die ...
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Theater heute November 2019
Rubrik: Chronik, Seite 57
von Cornelia Fiedler
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