Köln: Katzenjammer
Dieser Faust hat es in den Fingern, mit denen er in die Tasten greift. Der Wort- und Tatmensch als Pianisten-Nerd, so dass man den schlaksig-schlaffen Philipp Pleßmann anfangs für einen Adrian Leverkühn, einen ins Musikalisch-Dämonisch gewendeten Künstler halten könnte. Aber der zwölftönende Doktor Faustus würde sich kaum wie der Kölner Bühnen-Bruder, der an seinem Instrument hockt wie Georg Kreisler, ins gelegentlich angejazzte klassische Repertoire flüchten.
Es dominiert denn auch ein Konzertflügel die Spielfläche im Schauspiel-Depot (Bühne Christian Beck) und später noch ein Klavier, auf dem Gretchen «Meine Ruh ist hin» klimpert oder sich in Leidensübungen hineinwindet.
Moritz Sostmann gibt mit Mensch und Puppe gleich zu erkennen, dass er von Goethes Drama des Wissen-Wollens, der Lust und Qual der Empirie und des fortwährenden Drangs nichts wissen will. Fausts Monolog fällt als «Bla Bla Bla» aus seinem Munde. Liebe ist nur ein Schnulzen-Wort – und mit der Sprache nicht viel los. Nachlässige, vernachlässigte, verlaberte Kommunikation, demontiert zu Bruchstücken, ob nun der leiernde, schnarrende Faust in der Studierstube mit einem muskelprotzig-blöden Famulus disputiert, den ...
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Theater heute April 2017
Rubrik: Chronik, Seite 57
von Andreas Wilink
Ist Multikulturalismus lediglich eine Ideologie, wie die AfD im letzten Sommer behauptete? Eine ungefüllt herumgeisternde Idee, ein Bündel aus Theorien und Normen, das die Realität zu formen sucht – und nicht umgekehrt? An diesem Tag im Mannheimer Ratssaal sieht es anders aus. Da zeichnen zig Menschen aus Guatemala, Afghanistan, Finnland, Eritrea, Indonesien,...
Es gibt sie noch, selbst in unserer überinformierten und ausdiskutierten Welt, Themen, die jeden einzelnen betreffen und über die doch beharrlich geschwiegen wird. Und wenn sich jemand daran macht, mit behutsamer Neugier nachzufragen, wie die deutsch-amerikanische Theatermacherin Karen Breece in ihrer jüngsten Theaterproduktion «don’t forget to die», dann liegt in...
Die Paradoxie des Begriffs «aufgeklärter Absolutismus» bringt E.T.A. Hoffmann in seinem Märchen «Klein Zaches genannt Zinnober» (1819) satirisch auf den Punkt: Die Geschichte fängt damit an, dass ein Fürst per Dekret die Aufklärung einführt. Zugleich werden alle Feen als «Feinde der Aufklärung» des Landes verwiesen. Eine von ihnen rächt sich für die Schmach, indem...
