Klapperstorch kommt nicht mehr

Nuran Calis nach Wedekind «Frühlings Erwachen!»

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Der Nihilismus ist auch nicht mehr das, was er mal war. «O glaub mir, es gibt keine Liebe! Alles Eigennutz, alles Egoismus», knallte der Schulprimus der Herzen, Melchior Gabor, seiner Geliebten Wendla beim Heuboden-Rendezvous bis dato immer früh­reif an den hübschen Kopf. Heutzutage ist man da pragmatischer. «Du siehst so beschissen gut aus», konstatiert der Jungphilosoph anno 2007 und koket­tiert lediglich ein bisschen mit der Selbst­kritik, bevor er im Arm der Dunkelhaarigen gen Hinterbühne ent­schwindet: «Weißt du, so richtig tief geht bei mir, glaube ich, gar nichts.

»

Der Autor und Regisseur Nuran David Calis – Jahrgang 1976 und dank solider Berufserfahrungen im Musikvideodreh sicher auch professionell näher an der Zielgruppe als viele seiner Kollegen – hat Frank Wedekinds Kindertragödie «Frühlings Erwachen» am Schauspiel Hannover mit einem Ausrufezeichen versehen und auf ihre Gegenwartstauglichkeit abgeklopft. Dass dabei – hundert Jahre nach der Berliner Uraufführung im November 1906 – ein hochmodernes und trotzdem absolut Wedekind-nahes Jugend­stück herausgekommen ist, war, mit Verlaub, nicht unbedingt zu erwarten. Das bildungsbürgerliche Gymnasiasten-Parlando, das die ...

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Theater heute April 2007
Rubrik: Chronik, Seite 42
von Christine Wahl

Vergriffen
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