Im Schleudergang
Menschen wie im freien Fall. So wenig Halt bot ihnen die Bühne von Aleksandar Denic selten: Offene Weite gähnt im Berliner Ensemble, eine einsame rote Fahne säumt sie hinten an der Brandmauer. Die Unterbühne schaut etwas ausstaffierter aus: Eine Waschmaschine steht dort, eine Duschkabine. Auch ein paar Dutzend Panzerräder liegen herum, echte, stählerne, von der Roten Armee hinterlassene. Heftige Geschichtszeichen. Zum Haufen gestapelt. Man kann sich darauf ausruhen, aber wohl gebettet ist man nicht.
In diesem weiten Raum zwischen den Dingen und den Zeichen prallen die Spieler aufeinander. Spieler wie Andreas Döhler. Wenn er gemeinsam mit Artemis Chalkidou eine atemlose halbe Stunde lang, verfolgt von Live-Kameras, die Unterbühne beackert, dann sieht man Menschen im Schleudergang. Nicht nur, weil die Waschmaschine eine gewisse Rolle spielt – «Bauknecht weiß, was Frauen wünschen» –, sondern weil dieses Paar tatsächlich buchstäblich umherfliegt, durch die Textwelten und den Waschküchendunst. Sie ziehen sich an und aus, sie begrabschen sich und stoßen sich weg, irgendwo zwischen Gangsterpärchen Bonnie und Clyde, Rotfrontkämpfer und Zuhälter und Hure.
Mia Pinneberg und Jachmann sind ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Jahrbuch 2025
Rubrik: Höhepunkte der Spielzeit, Seite 12
von Christian Rakow
Text ist nach-dem Schreiben war / Schreiben ist wenn Worte werden / Wort ist wenn Buch-staben sind.»
Was bedeutet es etwas zu verstehen oder nicht zu verstehen? Welche Sprache braucht es dafür? Was passiert, wenn der Versuch des (Nicht-)Verstehens selbst zum Ge -genstand der künstlerischen Auseinandersetzung und eines Theatertextes wird? In der Spielzeit 2024/25...
ch halte meine Nase in den Wind. Ich atme ein. Ich schließe die Augen. Die Sonne scheint mir direkt ins Gesicht. Würdest Du neben mir stehen und mir direkt ins Gesicht schauen, würdest Du sehen: jedes einzelne kleine Härchen auf meiner Haut strahlt goldentransparent. Ich konzentriere mich auf das Rauschen des Windes. Ich glaube, es zu hören, wie es sich um...
Die Bühne ist ein großes Schweigen» in Paula Kläys Stück «Gewölk». Es kann erst beginnen, wenn eine gewisse Zeit vergangen ist: «Tauben fliegen drei Mal um das Theater und dann weg.» Sind diese Tauben nur Tauben? Oder könnten es nicht doch auch Mavies Eltern sein, die, immer schweigend, zuletzt nickend, den Kopf vor- und zurückschiebend, auf einer Parkbank...
