Familie beginnt im Kopf

Rolf Kemnitzer «Der Waschboy»

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Wer rumort da im Keller? Ein Einbrecher? Ja und nein. Denn der Junge, der sich in das Haus eines arrivierten Werbeagenturmenschen geschlichen hat, behauptet, dessen Sohn zu sein. Gezeugt in der wilden Jugend­zeit der freien Liebe, jetzt auf der Suche nach dem Vater. Und eingebrochen ist er eigentlich nicht. Vielmehr eingegangen. Sagt er jedenfalls, als der Mann ihm vorwirft, die Waschmaschine benutzt zu haben.

Repliken dieser Art sind typisch für den «Waschboy». Provozierend naiv nimmt er den Mann beim Wort und reibt ihm so die Hohlheit seiner Sätze unter die Nase.

Beziehungsweise die Hohlheit seiner ganzen Existenz mit verlorenen Idealen und gescheiterter Ehe. Und während der Junge sich am Beispiel des Mannes einen Weg ins (Berufs-)Leben sucht, hängt der Mann alten Zeiten nach – bis sich die Positionen am Schluss grundlegend umgekehrt haben.

Der Autor Rolf Kemnitzer, 1964 als Sohn eines G.I.s geboren und laut Programmheft derzeit mit einer filmi­schen Dokufiktion über die eigene Vatersuche beschäftigt, öffnet hier in knappen Szenen mit wortgewitzten Dialogen weite Assoziationsräume. Die gegenläufige Bewegung der Protagonisten ist ein Konzentrat jeglichen Generationenwechsels, die ...

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Theater heute Februar 2007
Rubrik: Chronik, Seite 49
von Andreas Jüttner

Vergriffen
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Notizen

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