Erinnerung macht Arbeit

Schlagartig bekannt wurde der Schauspieler Thomas Lawinky vor einem Jahr, als er einem Frankfurter Theaterkritiker in der Premiere den Spiralblock entriss (siehe TH 4/06). Was damals noch niemand wusste, Lawinky bald darauf aber öffentlich machte: Er war während seiner Militärzeit bei der Stasi. Diese Geschichte hat er Ulrich Seidler erzählt, dessen Bericht in der «Berliner Zeitung» vom 27. 3. 2006 im Folgenden mit einem Brief an die Theater-heute-Redaktion zu lesen ist. Aus der komplexen Opfer-Täter-Situation in der Endzeit der DDR hat Armin Petras mit Lawinky ein Stück gemacht, das am 9. Februar im Berliner Maxim Gorki Theater Premiere hat: «Mala Zementbaum»

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Vor fünf Wochen ereignete sich im Schauspiel Frankfurt eine Lappalie, die zum Eklat führte. Der Schauspieler Thomas Lawinky entriss dem Kritiker Gerhard Stadelmaier den Block und beschimpfte ihn. Stadelmaier hängte den Vorgang an die große Pressefreiheitsglocke, woraufhin die Frankfurter Oberbürgermeisterin für die Entlassung Lawin­kys sorgte. Der Fall ging durch die deutsche und europäische Presse. Jetzt ist Lawinky berühmt. Er ist keineswegs stolz auf diesen Ruhm, aber er hat Verwen­dung dafür.

Er nutzt das künstlich aufgeputschte Interesse an seiner Person, das «Plateau der öffentlichen Aufmerksamkeit», um sich als ehemaliger Stasi-Mitarbeiter zu outen und sich wirkungsvoll vor breitem Publikum zu dekonspirieren. Er versteht die­se Offenbarung nicht als Reinwascherei, auch nicht als PR-Trick, sondern als politische Handlung, mit der er anderen «Tätern, Opfern und Täter-Opfern» Mut machen will, sich zu erklären.

Seine Geschichte zeigt, wie irreführend Begriffe wie Opfer und Täter, Schuld und Verrat im moralischen Dickicht der Vergangenheit sind. Lawinky ist ein Schauspieler, der sich mit voller Wucht, als ganzer Mensch auf die Bühne zu werfen pflegt, der sich körperlich und ...

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Theater heute Februar 2007
Rubrik: Das Stück, Seite 50
von Ulrich Seidler

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