Eine Familiengeschichte

Ewald Palmetshofer rollt in Wien einen 70 Jahre alten Fall wieder auf: «die unverheiratete» (der Stückabdruck liegt dem Heft bei)

Was für eine nette Familiengeschichte: Oma muss in jungen Jahren eine eiserne Nazisse gewesen sein, die noch eine Woche vor Kriegsende in der österreichischen Provinz dafür gesorgt hat, dass ein junger Wehrmachtssoldat, der laut ans Desertieren dachte, standrechtlich hingerichtet wurde. Ein Jahr später wurde sie dafür zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt. Danach hat sie einen älteren hüftleidenden Mann aus dem Dorf geheiratet und mit ihm eine Tochter bekommen. Der eher unauffällige Gatte starb nach einigen Jahren. Die Tocher wurde ebenfalls Mutter, von ihrem Mann erfährt man gar nichts.

War in der Familie offenbar nicht der Rede wert. Die Enkelin lebt in der Stadt, verfügt über solide kulturwissenschaftliche Halbbildung, hat zahlreiche wechselnde Liebhaber, die sie gerne postkoital mit dem Handy knipst und ihnen die Schnappschüsse hinterherschickt. Einer von ihnen rastet irgendwann aus und schlägt sie zusammen, Ende offen. Ach ja: Die Oma wird stein­alt, lebt allein und redet wenig. Sie erhängt sich mit 96 Jahren.

So könnte man die Geschichte, der ein authentischer Fall aus Österreich zugrunde liegt, erzählen. Doch Ewald Palmetshofer hat etwas anderes vor. Er ist ein Spezialist für ...

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Theater heute Februar 2015
Rubrik: Aufführungen, Seite 8
von Franz Wille

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