Dresden: Tal der Zukunftslosen
Die Zukunft findet nicht statt. Jedenfalls nicht im Dresdner Elbtal. Zu dieser interessanten
Diagnose kommen gleich zwei Uraufführungen des dortigen Staatsschauspiels. Glaubt man, zunächst, Konstantin Küsperts Prognose vom «ende der menschheit», die Anton Kurt Krause dort im Kleinen Haus (mit einem vergleichsweise munteren Schauspielertrio) urinszeniert hat, wird schon bald der letzte Artgenosse den Laptop zuklappen.
Niedergangsverantwortlich zeichnet ein nerdiger Wissenschaftler (Holger Hübner), der in Sibylle Wallums Bühnen- und Kostümbild mit strähnig-schütterer Langhaarperücke in einem gläsernen Gewächshäuschen vor illustrer Video-Naturkulisse hockt, bestens mit den realkapitalistischen Zusammenhängen zwischen erotischem, ökonomischem und symbolischem Kapital vertraut ist und deshalb in
einem Akt grenzenloser Philanthropie ein geschlechtsneutralisierendes Virus unter die Erdbevölkerung bringt.
Dass die Befreiung vom Reproduktionsimperativ ein paar lästige gesellschaftsimmanente Folgezwänge gleich miterledigt und insofern durchaus (auch) utopische Züge tragen könnte, dämmert freilich nur den Progressivsten unter den Untergangsgeweihten. Und leider wird jene Enklave der ...
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Theater heute April 2017
Rubrik: Chronik, Seite 54
von Christine Wahl
Kleines viktorianisches Häuschen auf der Anhöhe, steile Anfahrt, rechts eine weiß gestrichene Bretterbude. Die Adresse kommt einem doch irgendwie bekannt vor. Ist das etwa «Psycho»? Der Hitchcock-Klassiker mit dem mörderischen Norman Bates, dem seine enge Mutterbindung eine heftige schizoide Störung eingetragen hat? Gleich darauf versammelt sich eine...
Sie ist wie ein sinkendes Schiff, diese Familie Tyrone. Ein Ozeandampfer, ehemals pracht- und hoffnungsvoll, der nun mit Schlagseite im Wasser hängt. Vater James ein abgehalfterter Tourneeschauspieler, Sohn Jamie im Dauersuff, Mutter Mary an der Nadel und das längst erwachsene Nesthäkchen Edmund mit unheilvollem Bluthusten. Bühnenbreit und meterhoch haben Armin...
Nach zwei Stunden und 50 Minuten erreicht diese letzte Inszenierung von Frank Castorf als Intendant der Volksbühne ihren Give-the-people-what-they-want-Gipfel – geizig war sie mit Höhepunkten schon vorher nicht gewesen. Und wir, the people (as in Volksbühne), sind begeistert. Magie und Plötzlichkeit, funky Bläserfanfaren, Hedonismus und Hexerei und viel...