Die Stellvertreter
«Der unsichtbare Reaktor», ein Projekt über die Nuklearkatastrophe von Fukushima, beginnt mit einer auktorialen Schreibkrise. 2012, im Jahr nach dem GAU, ist der Dramatiker Nis-Momme Stockmann auf Einladung des Goethe-Instituts nach Japan gereist; 2016 besuchte er Fukushima erneut. Jedesmal führte er vor Ort Interviews, notierte Unmengen an Eindrücken und Beobachtungen.
Ein künstlerischer Verwertungsprozess hatte allerdings auch mehrere Jahre später noch nicht eingesetzt: Er habe sich «regelrecht damit gequält, etwas zu dem Thema zu sagen», berichtet Stockmann im Programmheft zur schließlich zustande gekommenen Aufführung, denn er sei auf «Menschen getroffen, denen und deren Schicksalen gegenüber» er sich «verantwortlich gefühlt» habe. Deshalb handele es sich um «ein Herzensprojekt».
Das Staatstheater Nürnberg war letztlich auf die Idee gekommen, den Autor mit Jan-Christoph Gockel zusammenzuspannen, der sich ja als transnationaler Begegnungsregisseur einen besonderen Ruf erworben hat. Stockmann sollte gemeinsam mit Gockel und dem Inszenierungsteam 2021, anlässlich des zehnten Jahrestages der Katastrophe, nochmals nach Fukushima reisen, um das gesammelte Material endgültig zur ...
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Theater heute August/September 2022
Rubrik: Chronik, Seite 60
von Christine Wahl
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