Die Schauspielerei des 21. Jahrhunderts
Geschlagene zwei Stunden, wie er nicht müde wurde zu betonen, hat sich der international vielbeschäftigte Regisseur und NT-Gent-Intendant Milo Rau Zeit genommen, um im Bordbistro eines ICE auf dem Weg zur Kerr-Preisverleihung am letzten Tag des Theatertreffens eine Jahrhundertfrage zu beantworten: Was unterscheidet die Schauspielkunst des 21. Jahrhunderts von dem des Vorgänger-Jahrhunderts?
Zur Klärung des nicht gerade kleinen Problems erinnert sich Rau an den Besuch einer «Drei Schwestern»-Inszenierung am St.
Gallener Theater Ende der 90er, der ihn als Schüler nachhaltig traumatisiert haben muss. Die Sache hört sich in Raus Darstellung tatsächlich trist an: «Die Schauspielerinnen, sicher ganz gut, rannten um Birken herum, ab und zu spielte jemand Gitarre, eine Schauspielerin übergab sich, eine andere schredderte im dritten Akt eine Birke, die dritte zog sich etwa gleichzeitig aus, und sie sprachen halb zueinander und halb zum Publikum, also eigentlich zu niemandem.» Der sicher denkwürdige Abend umfasst für den Redner die «Schauspielkunst des 20. Jahrhunderts»: «Die totale Dekonstruktion der Klassiker, der aufgesetzte Spaß und der aufgesetzte Terror nach Stundenplan, die über die ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Juli 2018
Rubrik: Preisrede, Seite 63
von Franz Wille
Die mehr als 200 Seiten der Hebbelschen Trilogie könnte man an drei aufeinanderfolgenden Tagen oder in einer langen Nibelungennacht spielen. Jeder Teil wäre ein Drama für sich und würde etwa drei Stunden dauern. In Mainz, wo es der Deutschen liebsten Blut- und Ehre-Mythos derzeit in der sprachmächtigen und psychologisch aufgefrischten Neudichtung Friedrich Hebbels...
Es beginnt mit einem Lächeln. Mit einem von dieser beiläufigen, fast privaten Sorte, wenn Schauspieler anzeigen wollen, dass sie ihre Sache locker angehen. Und es ist auch ein Bild, das Ironie verträgt: wie Sarah Franke als Hedda Gabler da auf einem schwarzen Schwan hereingeschoben wird, wie ein Lohengrin-Zitat. Dafür also ein Lohengrienen. Und auch für den...
Wie alt war Ödipus? Man muss sich die griechischen Mythenfiguren als junge Leute vorstellen. Jedenfalls, wenn man sich mit dem Theater von Wajdi Mouawad auseinandersetzt. Daddys Liebling Elektra, der hyperaktive Ikarus, der Schleimer Odysseus – alles Teens und Twens. In Mouawads Stücken sind es oft sehr junge Protagonisten, Adoleszente oder Postadoleszente, die...